Theresa May macht Brexit-Vorkämpfer Johnson zum Außenminister

Britain's Queen Elizabeth welcomes Theresa May at the start of an audience in Buckingham Palace, where she invited her to become Prime Minister, in London
Britain's Queen Elizabeth welcomes Theresa May at the start of an audience in Buckingham Palace, where she invited her to become Prime Minister, in LondonREUTERS
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Queen Elizabeth II. hat die Demission von Cameron angenommen. Die neue konservative Premierministerin Theresa May legte zu Beginn einen starken Auftritt hin.

London. Es waren die Pumps mit Leopardenfellmuster, die den Kommentatoren in britischen und US-Sendern auffielen. Doch mehr noch war es die kurze, prägnante und perfekt staatstragend gehaltene Rede, mit der die neue britische Premierministerin Theresa May nach ihrer Angelobung am Mittwochabend durch Queen Elizabeth II. beeindruckte und ein so neues wie schwieriges Kapitel in der Geschichte des Königreichs aufschlug.

„Wir werden ein besseres Großbritannien bauen“, sagte die in ein elegantes, gleichzeitig auffälliges Kleid mit Mantel in navyblau und gelb gewandete May vor ihrem Amtssitz in 10 Downing Street, London. „Wir werden uns der Herausforderung stellen. Während wir die Europäische Union verlassen, schmieden wir eine kühne, neue, positive Rolle für uns in der Welt, und wir werden Großbritannien zu einem Land machen, das nicht nur für einige Privilegierte da ist, sondern für uns alle.“

„Die Reichen haben keinen Vorrang“

Und, an das Volk gerichtet: „Meine Regierung wird nicht nur von den Interessen weniger Privilegierter getrieben, sondern von Ihren Interessen. Wir werden alles tun, um Ihnen wieder mehr Kontrolle über Ihr Leben zurückzugeben. Wenn wir neue Gesetze machen, hören wir nicht auf die Mächtigen, sondern auf Sie. Wenn es um Steuern geht, geben wir nicht den Reichen Vorrang, sondern Ihnen.“ So schlug die konservative 59Jährige aus Eastbourne (East Sussex) Töne an, die man auch von Labour hören könnte.

Für die 90jährige Queen war May, welche als Brexit-Befürworterin just in einem BMW zum Buckingham Palace gefahren war und vor der Monarchin einen höfischen Knicks machte, der 13. Regierungschef seit Winston Churchill Anfang der 1950er. Doch sentimental sind die Briten ja eher nicht. Und während die neue Premierministerin mit ihrem Gatten Philip, einem Investmentbanker, in die Downing Street weiterfuhr, entfernte die Spedition dort immer noch den Hausrat der Familie ihres Vorgängers, David Cameron.

Lange Regierungsverhandlungen kennt Großbritannien nicht, rasche Wechsel schaffen Kontinuität der Macht. Inhaltlich hat May bereits früher angedeutet, dass sie Veränderung will. Zu Wochenbeginn beschwor sie einen „Bruch mit der Vergangenheit“, „eine „Wirtschaft, von der alle etwas haben“.

Breitseite gegen Elite

May hatte die engen Bande zwischen den herrschenden Cliquen kritisiert, „die alle aus denselben schmalen gesellschaftlichen und beruflichen Klassen zu stammen scheinen“. Im Gegensatz zu Absolventen des Elite-Internats Eton wie Cameron besuchte May eine öffentliche Schule (ehe auch sie in Oxford, nicht gerade eine Arbeiteruniversität, studierte). Die wachsende Kluft zwischen Spitzen- und Mindesteinkommen bezeichnete sie als „irrational und ungesund“.

Spiel auf Zeit beim Brexit

Die Herausforderungen an sie sind indes gewaltig. Da sind der jüngst vom Volk beschlossene Austritt des Königreichs aus der EU, wobei May noch bis Jahresende warten möchte, um diesen formell einzuleiten. „Brexit bedeutet Brexit“, ist ihre bisher einzige Aussage dazu. Dabei riskiert sie, dass Schottland, wo im Juni mehrheitlich für die EU gestimmt wurde, aus dem Königreich ausschert.

May hat keine Erfahrung in der Wirtschaft. Ihr Versprechen einer „neuen Industriestrategie“ hat jeder Regierungs- und Oppositionschef der vergangenen 50 Jahre abgegeben. Erreicht hat niemand etwas. Der Niedergang der verarbeitenden Industrie setzt sich mit der Stahlkrise fort, während die Macht des Finanzsektors nur durch Verlust der Rechte aus der EU-Mitgliedschaft gebrochen werden könnte – doch zum Nachteil aller. Erfahrung hat May indes bei Recht und Ordnung. In einer ihrer umstrittensten Aktionen ließ sie Lkw mit Plakaten durch Gegenden mit hohem Migrantenanteil fahren, mit dem Text: „Illegal hier? Gehen Sie nach Hause oder ins Gefängnis.“ Die Zuwanderungsziele verfehlte sie dennoch. Ihre größte Leistung war es, sechs Jahre in einem Amt durchgehalten zu haben, das als Minenfeld gilt.

Boris Johnson neuer Außenminister

Mindestens so viel Geschick wird May bei der Bestellung ihrer Regierung brauchen. Am Abend wurden erste Ernennungen bekannt: So wird Boris Johnson, der quirlige Ex-Bürgermeister Londons und ein Wortführer des Brexit-Lagers, Außenminister. Er dürfte aber die Brexit-Verhandlungen nicht führen, das soll ein spezieller Minister machen. Johnson ersetzt Philipp Hammond, der Finanzminister wird und somit George Osborne ablöst.

Im Vorfeld wurde gemunkelt, dass May besonders viele Frauen im Kabinett haben wolle – angeblich sollten an sie bis zu 50 Prozent der Ministerposten gehen.

Die Parlamentsmehrheit der Konservativen ist derweil mäßig und beträgt nur 18 Mandate. Bereits für Montag steht eine Abstimmung über die Erneuerung der vier strategischen Atom-U-Boote der „Vanguard“-Klasse mit „Trident“-Atomraketen an. Angesichts der Schwäche der oppositionellen Labour Party, die ihren Parteivorsitz neu wählen wird, könnte die Verlockung zu Neuwahlen für May unwiderstehlich sein.(gar/red.)

(APA/dpa/Reuters)

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