E-Book-Reader: Die E-Zeitung aus dem Handynetz

(c) AP (Jörg Sarbach)
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Die Displays der elektronischen Taschenbücher wachsen auf Zeitungsgröße und laden via UMTS automatisch frische Nachrichten. Was in den USA längst Alltag ist, kommt in Europa nur zögerlich ins Rollen.

Wie wäre es mit einer Tageszeitung, die sich automatisch aktualisiert, nie zum Altpapier wird und dennoch auf dem Frühstückstisch eine gute Figur macht? Der findige Onlinehändler Amazon hat genau das in den USA bereits Realität werden lassen. Sein neuester E-Book-Reader Kindle DX erobert mit einem größeren Display den Zeitungs- und Magazinmarkt. Ein großer Bildschirm allein genügt dazu natürlich nicht.


Damit die Tageszeitung immer pünktlich zum Frühstück geliefert werden kann, ist eine Internetverbindung notwendig, die von WLAN-Hotspots unabhängig überall funktioniert. Das erreicht der Kindle mit einem integrierten UMTS-Modem, das Datenverkehr über das Mobilfunknetz zulässt. Das hat den Vorteil, dass auch tagesaktuelle Ereignisse direkt nachgeladen werden können. Es hat aber auch den Nachteil, dass ein Mobilfunkvertrag vonnöten ist. In den USA hat Amazon einen Deal mit AT&T. Mit europäischen Mobilfunkern ist sich der Onlinehändler offenbar noch nicht einig geworden, weshalb der Kindle hier bis auf Weiteres auch nicht erhältlich ist. Erste deutschsprachige Blätter im virtuellen Zeitungskiosk – wie etwa das „Handelsblatt“ – lassen weiterhin auf einen Europa-Start hoffen.

Frontalangriff von Sony


Bis es so weit ist, versucht sich Sony auf dem europäischen E-Book-Markt breitzumachen. Heuer hat der Elektronikriese bereits drei neue Modelle vorgestellt. Der jüngste, die „Daily Edition“, wird für den Zeitungsmarkt am spannendsten. Wie der Name schon anklingen lässt, schlägt Sonys Neuer in dieselbe Kerbe wie der Kindle DX. Auch der „Daily“ hat ein integriertes UMTS-Modem. Wie Amazon fehlen Sony in Europa noch kooperationswillige Mobilfunker, weshalb auch der „Daily“ vorerst nur in den USA zu haben sein wird. Was Sony außerdem fehlt, sind die virtuellen Tageszeitungen. Der gute Draht mit nahezu allen großen US-Zeitungen und einigen wichtigen internationalen Blättern wie „Le Monde“ ist Amazons Trumpf. Auf den ersten Blick scheint der Kindle auch für die Zeitungsbranche ein Gewinn zu sein – als Zusatzangebot zum gedruckten Blatt. Mit Online-Ausgaben können Verlage bisher nur schwer Geld machen. Allerdings: Anders als im Internet sind die Leser in Amazons digitalem Zeitungsgeschäft sehr wohl bereit, für Inhalte zu bezahlen. Teilweise sogar mehr als für die gedruckte Ausgabe. So kostet ein Jahresabo der „Financial Times“ für den Kindle um einige Dollar mehr als das Printabo. Andere wagen sich mit niedrigeren Preisen in die neuen Gefilde.

Murdoch zieht es zu Sony


Wirft man einen Blick hinter die Kulissen, ist auch der Kindle zumindest in naher Zukunft kein Heilmittel gegen die Krise der Zeitungen. Die Verlage müssen zwei wesentliche Dinge aus der Hand geben: Die Daten der Abonnenten verwaltet im neuen System Amazon. Und auch die Haupteinnahmequelle, das Anzeigengeschäft, unterliegt der Entscheidungsgewalt des Onlinehändlers – und bisher sind keine Werbeeinschaltungen gestattet.

Diese Nachteile hat Medienmogul Rupert Murdoch laut US-Medien dazu bewogen, zum Konkurrenten Sony zu wechseln. Für Amazon wiederum könnte das Wegbrechen der News Corporation mit Kassenschlagern wie dem „Wall Street Journal“ zum ernsten Problem werden. Schwierigkeiten werden auch Sony beim Aufbau eines Zeitungsshops bevorstehen, wobei der Elektronikkonzern einen entscheidenden Vorteil hat. Im Unterschied zu Amazon unterstützt Sony mit ePub und Pdf offene Formate und hat somit auch weniger Einfluss auf die Inhalte des „Daily“.


An den Geräten selbst hat sich zuletzt einiges getan. So werkt Plastic Logic an einem biegbaren Reader, der schon Anfang 2010 auf den Markt kommen soll, und Sonys neueste Geräte haben bereits Touchscreens. Aber einige wichtige Dinge beherrschen die schlanken Lesegeräte noch immer nicht – die Darstellung von Videos und Farbe etwa.

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