Initiativen wie die Plattform spot.us der Kaliforniers David Cohn spezialisieren sich auf Recherche. Das Publizieren überlassen sie anderen.
Dass David Cohn keine Berührungsängste mit neuen Medien hat, zeigt sich schon, wenn man eine Anfrage an ihn richtet. Die kriegt er nämlich am liebsten per E-Mail; die Antwort kommt dann wenig später – als Link zu einem Videoclip. Darauf sieht man den 27-jährigen Kalifornier im T-Shirt mit wirrem braunem Haar, wie er die Fragen vom Computer abliest, dann in die Webcam blickt und erzählt, was er sich so zum Thema Journalismus denkt – und das ist immerhin einer der innovativsten Ansätze, die es derzeit gibt.
Sein Projekt heißt spot.us und ist eine Webplattform, auf der Themen vorgeschlagen werden können. Wer eine Geschichte lesen will, kann einen – limitierten – Betrag spenden. Ist genügend Geld beisammen, macht sich ein freier Journalist an die Arbeit. „Crowd-funding“ nennt sich diese Art der Finanzierung, und bei Popalben und Filmen hat sie schon funktioniert. Cohn, der mit führenden US-Medienwissenschaftlern zusammenarbeitet, hat diese Idee einfach auf den Journalismus umgelegt.
Das fertige Produkt kann unter einer Creative-Commons-Lizenz kostenlos veröffentlicht werden, Medien können sich aber auch die Exklusivrechte sichern. Dann wird das gespendete Geld einfach rückerstattet. Seit dem Start von spot.us im vorigen November sind schon mehrere hundert Vorschläge eingetroffen; knapp 30 wurden finanziert, 26 in unterschiedlichsten Medien der Bay Area rund um San Francisco veröffentlicht. „Durch die Kooperation mit uns“, sagt Cohn, „werden für viele Medien manche Dinge erst möglich.“
Müllstrudel für die „New York Times“
Für die meiste Publicity sorgte wohl Lindsey Hoshaw, die unbedingt den berüchtigten Müllstrudel im Pazifik untersuchen will – und die eine Zusage von der „New York Times“ hat, die Geschichte auch zu verwenden. 6000 der 10.000 Dollar Reisekosten wurden über spot.us bereits aufgebracht.
Über die Qualität einzelner Geschichten ließe sich zwar diskutieren. Bemerkenswert ist das Projekt in anderer Hinsicht: Weil erstmals nicht mehr nur Medien entscheiden, was eine recherchierenswerte Geschichte ist. Und weil es den Bedarf an investigativem Journalismus aufzeigt – in Zeiten, in denen klassische Medien oft genau bei diesem „Luxus“ einsparen. Immer öfter entstehen so Projekte, die sich ganz auf die Recherche konzentrieren. In den USA ist das etwa ProPublica: Unter der Ägide zweier Journalistenkaliber, die einst für „New York Times“ und „Wall Street Journal“ gearbeitet haben, recherchieren 32 Journalisten im öffentlichen Interesse.
In London wurde eine ähnliche Initiative, das Bureau of Investigative Journalism (so der Arbeitstitel), gerade mit einer Spende von zwei Millionen Pfund ausgestattet; einige der profiliertesten Aufdecker sind bereits an Bord. Schließlich sei die Welt, so der bekannt kritische Journalist Nick Davies, „voller außergewöhnlicher Geschichten, die nie geschrieben werden, weil die Mainstream-Medien entweder nicht mehr die Mittel oder den Willen haben, jene Arbeit zu machen, die sie früher gemacht haben.“