Über It-Girls und „radikale Männlichkeit“ in der Literatur

Alle sind gerade sehr arm in der jüngeren österreichischen Literaturszene: Stefanie Sargnagel, Thomas Glavinic und Vea Kaiser im Sexismusrausch.

Kurze Chronologie der Begriffe einer aus feministischer Sicht völlig wirren Affäre, gefiltert aus aktuellen Print- und asozialen Medien. It-Girls nannte Literaturkritiker Klaus Nüchtern im „Falter“ die Autorinnen Vea Kaiser, Valerie Fritsch, Ronja von Rönne, Stefanie Sargnagel. Das hätten sie noch ausgehalten, aber nicht den Schlusssatz: „Autorinnen wie Anna Weidenholzer oder Karin Peschka mögen von den Redakteuren der ,Leute‘-Seiten und ,Seitenblicke‘-Formate ignoriert werden, dafür ist ihre Literatur aber auch interessanter als der Kitsch und das selbstverliebte Generationengeraune ihrer bekannteren Kolleginnen.“ Autorin ist also nur gut, wenn sie brav daheimbleibt, kein It-Girl (also hübsch, cool) ist, wurde gefolgert. Die It-Autorinnen waren sauer. Nüchtern wurde u. a. Sexismus vorgeworfen, eine Riesen-Hate-Welle auf Facebook (FB) rollte an, angeführt von Thomas Glavinic, der Kaiser und Fritsch verteidigte. Dafür Sargnagel . . .

. . . talentfreie Krawallnudel und sprechenden Rollmops nannte. Was die übrigen Damen im Sexismusrausch überraschend nüchtern ließ. Sargnagel weniger, die Glavinic an ein Foto (seines Gemächts) erinnerte, das er einmal unter großer FB-Aufmerksamkeit auf seine FB-Seite gestellt hatte (um gegen die FB-Prüderie zu protestieren). Vor allem aber warf sie Glavinic . . . Fatshaming (Dickenfeindlichkeit) vor. Was wiederum er nicht verstand. Mittlerweile fühlt sich Glavinic selbst als Sexismusopfer Sargnagels (Gemächt-Foto-Erinnerung) und völlig missverstanden, er habe mit Rollmops nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf ein klassisches Katerfrühstück angespielt, also anscheinend auf toxisches Verhalten Sargnagels. Er muss es wissen, gilt er mittlerweile selbst als . . .. . . polytoxisch, wie in einem zeitgleich zur It-Girls-Affäre veröffentlichten Text der Journalistin Hannah Lühmann in der „Welt“ zu erfahren ist, die eine Riesengeschichte über ein anscheinend spektakuläres „Blind Date“ mit Glavinic beim Berliner Rammsteinkonzert schrieb. Inklusive minutiöser Beschreibung von Glavinics in ihren Augen „radikaler Männlichkeit“ (d. h. Koks, Alk, Autoschreddern, FB-Gemächt-Foto, Hand um ihre Hüfte legen, gemeinsam gehen etc.). Kurz zuvor erfuhren wir in einer Buchempfehlung von ihr, dass sie Glavinic „so unendlich attraktiv“ findet, aber nicht genau weiß, ob es die „Glatze oder sein Bauch oder die geschürzte Knautschigkeit seiner Mundpartie“ sei. Bisher noch kein Sexismus-Shitstorm.

Ich lerne:1. In der It-Literaturszene sind die It-Girls immer noch die Opfer. 2. Der It-Sugardaddy darf alles. 3. Sexistisch zu schreiben ist hier immer noch „it“, aber nur, wenns um die It-Daddys geht und man selbst „it“ ist. 4. Ich muss mit diesem Nüchtern einen trinken gehen, so schiach und untoxisch kann der gar nicht sein.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 16.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.