Eine Bastelkiste nur für Kinder

Ursula Ressl bringt Kinder zum Basteln.
Ursula Ressl bringt Kinder zum Basteln.Stanislav Jenis
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Ein Seepferdchen für den Swimmingpool, Glückskäfer zu Silvester oder selbst gemachte Kegel für den Sommer. Mit ihrem Kinderkistl bringt Ursula Ressl Kinder wieder zum Basteln – und neue Spielzeuge ins Kinderzimmer.

Schuld ist eigentlich die eigene Schwester. Oder genauer gesagt, der Geburtstag von deren Tochter Leah. Denn der ist Anfang Jänner. „Schenkt ihr bitte, bitte nichts zum Geburtstag“, habe die Schwester jedes Jahr gebeten. Durch die Nähe zu Weihnachten sei ein wochenlanger Geschenkereigen entstanden, an dessen Ende das Kind ziemlich überreizt ob der Geschenkeflut dagestanden sei. Sachen wurden dankbar entgegengenommen, auf den Geschenkeberg gelegt und nie wieder angesehen. Aber was schenkt man Kindern dann trotzdem? Womit können sie sich lang selbst beschäftigen, fragte sich Ursula Ressl damals. Immerhin ist sie Leahs Patentante. Und praktische Geschenke wie Gummistiefel seien keine Option gewesen. „Das wäre ja gemein“, sagt die heute 38-Jährige. Also setzte sie sich hin und überlegte. Am Ende entwickelte sie die Idee für das Kinderkistl. Ein mittlerweile viel gelobtes Start-up, mit dem sie sich selbstständig gemacht hat.

Das Kinderkistl ist eine Bastelbox, mit der Kinder ihr eigenes Spielzeug oder kleine Spielprojekte bauen können. Da gibt es das „Farbenfrohe Mosaik-Kistl“, mit dem Kinder eine Vogeltränke bauen können. Das „Knet-Kistl“, mit dem Kinder selbst Knetmasse herstellen, das „Nützliche Insektenhotel-Kistl“, oder das „Glückskäferkistl“, mit dem sie Glasperlenkäfer basteln. Jedes Kistl kommt nicht nur mit einer kindergerechten Anleitung daher, sondern auch mit dem notwendigen Material. Also Schere und Kleber beispielweise inklusive. „Ich wollte keine negativen Erfahrungen für das Kind. Dann bekommt es das Kistl geschenkt, und der Uhu ist zum Beispiel aus und es kann nicht anfangen“, erklärt Ressl, die sich noch gut daran erinnert, wie in ihrer Kindheit Bastelmaterialien manchmal nicht griffbereit waren.

Auch sonst hat sie bei der Entwicklung des Produktes ziemlich viel auf Details geachtet. Die Bastelmaterialien sind etwa alle in Österreich und Deutschland gekauft, wenn möglich auch in Österreich produziert. Das Kistl ist so gestaltet, dass es gleich so versandt werden kann und nicht noch zusätzlich verpackt werden muss. Empfindliche Teile (etwa Tontöpfe für das „Kressekistl“) werden mit Backpapier gesichert.


Keine Ziergegenstände. Wichtig bei der Entwicklung, sagt Ressl, seien ihr der pädagogische und edukative Effekt gewesen. Jede Box ist so aufbereitet, dass das Kind Spaß beim Basteln hat, sich aber auch danach mit dem Gebastelten beschäftigen kann. „Wir machen keine Ziergegenstände“, sagt Ressl. So entstand die Idee für eine Schwimmschlange, die die Kinder in ein Seepferdchen verwandeln, oder die Anleitung für Poibälle zum Jonglieren im Garten. Beim „Umwerfenden Kegel-Kistl“ müssen die Kinder etwa zuerst 21 Holzwürfel zusammenkleben und können sie dann mit Acrylfarben und Moosgummi verzieren. Angelehnt an das Spiel „Wikingerschach“ werden die Kegel im Garten aufgestellt und dann mit Wasserbomben (die freilich auch im Kistl enthalten sind) abgeschossen. Die Kinder sollen sich bewegen, im Freien spielen, die Projekte variieren von Kleben, Falten, Kneten, einmal gab es auch schon Fossilien zum Selbstbasteln. Die Anleitungen bestehen alle aus Fotos, in denen ein Kind zeigt, wie die einzelnen Bastelschritte funktionieren. Zwar sind auch Texte dabei, „aber viele Kinder können noch nicht so gut lesen“, sagt Ressl. Und in den Tests hätten die Anleitungen mit Fotos am besten abgeschnitten.

Obwohl sie Bastelboxen für Kinder entwickelt, hat die Frau, die die blonden Haare zu einem Pferdeschwanz trägt, selbst keine Kinder. Sie findet das nicht ungewöhnlich. „Viele Menschen, die für Kinder arbeiten, haben selbst keine“, sagt sie. Kinderbuchautor Thomas Brezina etwa, oder der bekannte Moderator und Schauspieler Erich Schleyer. „Und ich bin viel von Kindern umgeben“, sagt Ressl, die an diesem Tag Jeansrock, dazu Stiefel im Ethnolook und ebensolche Ohrringe trägt.

„Mut und Irrsinn“. Das Kinderthema hat sie auch schon früh in ihrer Karriere beschäftigt. Ressl entwickelte vor Jahren das Familienmagazin „Tipi“, später arbeitete sie für das Echo-Medienhaus. Als ihr die Idee für das Kistl kam, habe sie „relativ schnell“ ihren Job gekündigt. Eine Mischung aus „Mut und Irrsinn“, sei das gewesen, sagt sie und lacht. „Ich habe eine Marke erfunden und verkaufe sie selbst“, sagt sie. Das sei ziemlich viel, „aber es macht riesigen Spaß“. Wohl auch, weil die Idee von Anfang an gut funktioniert hat. Nach dem Start der Firma im September 2014 habe sie innerhalb kurzer Zeit bereits 300 Abonnenten in Österreich und Deutschland gehabt, die sich das Kistl monatlich zuschicken lassen. Mittlerweile sei auch die Schweiz als Zielland dazugekommen.

Gut die Hälfe der Kunden sind keine Abonnenten, sondern bestellen Einmalkistln – etwa als Geschenke zu Schlüsselzeiten im Jahr: Weihnachten, Ostern, Schulbeginn, Halloween oder zur EM. „Da gab es das Fußballkistl“, sagt Ressl. Die Inhalte der Box werden von ihr und einer Kollegin, die Volksschullehrerin ist und später an der Kunstakademie studierte, entwickelt. Spezielle Inspiration braucht Ressl für die Entwicklung der Boxen nicht. „Ich hab meistens eh ein zwei Ideen, die ich machen will, im Kopf“, sagt sie. Mit ihren Geschwistern sei sie schon als Kind kreativ gewesen und habe neue Welten erschaffen. „Wir haben etwa Theaterstücke geschrieben, dann das Bühnenbild dazu gebastelt“, erzählt sie.

Experten prüfen. Damit die Projekte auch kindergerecht bleiben, werden sie von Experten (aus den Bereichen Bildung, Kunst etc. angesehen). In der Bastelbox für Fossilien war auch eine Erklärung zu Fossilien dabei.

Und jedes Projekt wird von einem Kind vorher getestet. Oder gleich selbst entwickelt. Bei einem Fotoshooting für eine Anleitung hatte eine Sechsjährige die Idee für ein „Vogel-Kistl“. Ressl bat sie, ihre Gedanken aufzuschreiben. Heraus kam ein Projekt, in dem Kinder einen Plastikvogel mit kleinen Federn bekleben können. „Ich möchte das in Zukunft noch weiter forcieren, dass die Kinder ihre eigenen Ideen einbringen“, sagt Ressl. Denn neue Ideen sind dringend erwünscht. In den vergangenen zwei Jahren haben sie und eine Mitarbeiterin über 5200 Kistln versandt. Insgesamt gibt es 50 Einzelkistln, die sich von den Abos manchmal etwas unterscheiden und für verschiedene Altersklassen (drei bis acht Jahre) sind. Das Feedback von Eltern und Kindern sei jedenfalls sehr gut. Auch, weil die Kinder mehrere Erfolgserlebnisse dabei haben, sagt sie. Zuerst beim Basteln und nachher beim Spielen. Das sei eben anders, als wenn man mit dem Computer spiele.

Das Potenzial der Firma hat auch Winzer und Investor Leo Hillinger entdeckt, der (neben einem anderen) als Gesellschafter in die Firma eingestiegen ist. In den schwarzen Zahlen ist das Unternehmen noch nicht, „das dauert ja immer vier bis fünf Jahre“, erklärt Ressl. Und die Nichte? Die ist von Kistl und Idee der Tante begeistert. Sie hat mittlerweile mehrmals als Modell für die Anleitungsshootings posiert.

Do it yourself für Kinder

Einzelkistl oder Abo. Zwischen diesen beiden Optionen können sich die Kinderkistl-Kunden entscheiden. Die Preise für ein Einzelkistl variieren je nach Inhalt des Bastelprojekts und liegen bei ungefähr 30 Euro. Die Abos belaufen sich auf 25 bis 20 Euro pro Monat, abhängig von der Laufzeit (drei bis zehn Monate). Versendet werden die Kisten sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz.


Die Ideen
für die Bastelprojekte entwickelt Ursula Ressl mit einer Kollegin gemeinsam. Sie sind an die jeweilige Saison oder Jahreszeit angepasst (Schulanfang, Ostern, etc.)

In den Boxen sind alle Bastelutensilien wie Schere oder Kleber enthalten. Wer ein Abo bezieht, bekommt am Anfang des Abos ein „Basissackerl“, in dem Schere und Uhu etc. enthalten sind. In vielen Projekten sind Verpackung und Füllmaterial Teil des Bastelprojekts. Ressl will achtsam mit Materialien umgehen. www.kinderkistl.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2016)

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