Attentäter von Nizza hatte womöglich Helfer

Trauer in Nizza
Trauer in NizzaAPA/AFP/GIUSEPPE CACACE
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Zwei weitere Menschen wurden nach dem Anschlag festgenommen. Das Paar könnte "logistische Unterstützung" geleistet haben.

Der Attentäter von Nizza hat den Anschlag mit 84 Toten nach Erkenntnissen der Ermittler gezielt vorbereitet. Aus Justizkreisen hieß es am Sonntag, er habe die Strandpromenade mit dem gemieteten Lastwagen bereits Tage vorher ausgespäht. Womöglich hatte der 31-Jährige auch Helfer: Zwei weitere Festgenommene, ein albanisches Paar, könnte dem Mann "logistische Unterstützung" geleistet haben.

Die Ermittler befragten am Wochenende zahlreiche Zeugen und werteten Material aus, das in der Wohnung von Mohamed Lahouaiej-Bouhlel gefunden wurde. Dabei stellten sie fest, dass der Tunesier schon am 12. und 13. Juli die Strandpromenade von Nizza mit dem gemieteten 19-Tonner abfuhr, mit dem er dann am Nationalfeiertag in die feiernde Menge fuhr.

Sechs Menschen in Polizeigewahrsam

Zudem wurden ein Mann und eine Frau in Gewahrsam genommen. Den albanischen Staatsbürgern sowie einem weiteren Mann aus dem Umfeld des Täters wird vorgeworfen, dem Täter geholfen zu haben. Insgesamt waren am Sonntag sechs Menschen in Polizeigewahrsam. Die Frau des Tunesiers, von der er getrennt lebte, wurde nach Vernehmungen wieder freigelassen.

Der Fernsehsender BFMTV berichtete am Sonntag, dass der seit langem in Nizza lebende Attentäter noch kurz vor der Tat in mehreren SMS "mehr Waffen" verlangt habe. Die SMS soll er an einen der Männer geschickt haben, die nach der Tat festgenommen wurden.

Die französische Regierung geht davon aus, dass sich der Attentäter von Nizza "sehr schnell radikalisiert" hat. Premierminister Manuel Valls äußerte sich erneut überzeugt, dass der Mann entgegen den Angaben vieler Zeugen Islamist gewesen sei. Er sagte der Zeitung "Journal du Dimanche", die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) rufe auch gezielt Einzeltäter zu Anschlägen auf, "die unseren Geheimdiensten unbekannt sind".

Keine Hinweise auf Radikalisierung in Wohnung

Laut Zeitung "Nice Matin" wurde auch in der Wohnung des Täters nichts gefunden, das auf eine Radikalisierung schließen lässt. Allerdings würden Telefon und Computer noch untersucht. Seine Schwester sagte der Nachrichtenagentur Reuters, ihr Bruder habe sich zuletzt viel häufiger als sonst bei der Familie gemeldet. "Mein Bruder hat psychische Probleme gehabt, und wir haben der Polizei Dokumente übergeben, die zeigen, dass er für mehrere Jahre bei Psychologen in Behandlung war", ergänzte die Schwester. Dies sei in der Zeit vor 2005 gewesen, als er Tunesien verließ und nach Frankreich zog. Sein Vater sagte den TV-Sendern TF1 und France 2, die psychischen Probleme hätten bei ihm zu einem Nervenzusammenbruch geführt.

Einige Bekannte berichteten davon, dass sich der 31-Jährige erst seit Kurzem verstärkt dem Islam zugewandt hatte. Er habe unter anderem aufgehört, Alkohol zu trinken und Schweinefleisch zu essen, berichtete die Zeitung "Le Parisien". Nach anderen Medienberichten leerte er kurz vor der Tat sein Konto und schickte 100.000 Euro an seine Familie in Tunesien.

Die IS-Miliz hatte den Anschlag am Samstag für sich beansprucht und den Täter als "Soldaten" des IS bezeichnet. Die Erklärung wird jedoch von Sicherheitsexperten als vage eingeschätzt und enthält kein Täterwissen. Auch die französische Regierung hat keinen Beleg dafür, dass der Attentäter IS-Anhänger war.

Innenminister Bernard Cazeneuve nannte den Tunesier nach einer Sitzung des französischen Sicherheitskabinetts ein Beispiel für "Einzelpersonen, die empfänglich für die Botschaften des IS sind und äußerst gewaltsame Taten begehen, ohne notwendigerweise an Kämpfen teilgenommen zu haben oder ausgebildet worden zu sein".

18 Menschen schweben in Lebensgefahr

Der Täter hatte am Donnerstagabend während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag in Nizza einen Lastwagen in die Menge gelenkt und mindestens 84 Menschen getötet. 85 Menschen wurden am Sonntag noch in Krankenhäusern behandelt, rund 18 von ihnen schwebten in Lebensgefahr, darunter ein Kind. 29 lägen auf der Intensivstation, sagte die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Hinweise auf österreichische Opfer gibt es nach Angaben des Außenministeriums in Wien nicht.

In Frankreich gilt noch bis einschließlich Montag eine dreitägige Staatstrauer. Für Montagmittag ist eine landesweite Schweigeminute geplant.

Valls warnte indes vor neuen Anschlägen. "Es ist ein andauernder Krieg, es wird weitere Attacken geben." Gegen Terrorismus gebe es keine absolute Sicherheit. "Es ist schwer, dies zu sagen, aber es wird weitere Todesopfer geben", so der Ministerpräsident im "Journal du Dimanche".

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(APA/AFP/dpa/Reuters)

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