Türkei: "Haben Angst, gelyncht zu werden"

Erdogan-Anhänger in Istanbul.
Erdogan-Anhänger in Istanbul.REUTERS
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Anhänger der pro-kurdischen HDP fürchten nach der Säuberungswelle um ihr Leben. Es seien nur Erdogan-Anhänger auf den Straßen.

In der aufgeheizten Stimmung nach dem Putschversuch in der Türkei fürchten Anhänger der pro-kurdischen HDP nach den Worten des deutsch-türkischen Abgeordneten Ziya Pir um ihr Leben.

Auf den Straßen des Landes seien derzeit nur Anhänger der AKP von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und der ultrarechten MHP, sagte Pir am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. "Sie rufen nicht nach Demokratie, sondern nach Erdogan. Deshalb gehen unsere Leute nicht auf die Straße. Sie haben Angst, gelyncht zu werden. Die Stimmung gegen Oppositionelle ist zu aufgeheizt."

Ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte, widersprach Pir. "Es gibt keinen einzigen Fall, wo die Opposition beschuldigt oder sogar angegriffen wurde", sagte er. "Menschen mit verschiedenen Hintergründen gehen hinaus, um die Demokratie zu verteidigen. Im Pro-Demokratie-Lager gibt es viel Platz. Der Präsident und der Ministerpräsident haben Anführern aller Oppositionsparteien für ihre starke Haltung gegen den Putsch gedankt."

Situation für Kampf gegen Oppositionelle ausgenutzt

Pir begrüßte die Niederschlagung des Putsches, "der Gott sei Dank abgewendet wurde. Jetzt erleben wir jedoch leider einen zivilen Gegenputsch. Die Maßnahmen und Säuberungen waren sehr gut vorbereitet". Der Abgeordnete fügte hinzu: "Diese Situation wird jetzt ausgenutzt, um unter dem Deckmantel der Komplizenschaft gegen alle Oppositionellen vorzugehen."

Nach dem Putschversuch hat Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits Zehntausende Lehrer, Polizisten und Soldaten verhaften oder aus dem Amt entfernen lassen. Akademiker dürfen seit Mittwoch nicht mehr ausreisen. Zudem wurde gegen 99 der 360 Armeegeneräle Anklage erhoben. Allein am Regierungssitz Ankara wurden 900 Polizisten vom Dienst suspendiert. Auch 262 Militärrichter und -staatsanwälte wurden am Mittwoch entalssen. 

(APA/dpa/Reuters)

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