Narrentum sollte von Museumsdirektoren verlangt werden

Agnes Husslein soll hängen? Sie soll verlängert werden!

Wenigstens kann man nicht sagen, dass Belvedere-Chefin Agnes Husslein ihren Ruf verloren hätte – den Ruf der snobistischen, feudalen Despotin hatte sie schon lang vor der Affäre, vor dem „Putschversuch“. Jeder wusste, wie sie tickt – und „normal“ war das sicher nicht. Dass sie jetzt ihre Feindinnen also nicht in irgendwelchen Belvedere-Verliesen foltern lässt, u. a. dafür hat der vom Kulturminister eingesetzte kaufmännische Ko-Direktor Dieter Bogner zu sorgen (die Prokuristin und zwei Mitarbeiterinnen sind freigestellt, eine Buchhalterin wurde entlassen). Bogner soll das Belvedere wieder vom Schlacht- zum Arbeitsplatz wandeln. Über alles andere hat das Kuratorium entschieden.

Die Rufe aber hören nicht auf, „Kopf ab!“ kreischt ein links-elitistischer Mob wie bei Marie Antoinette. Er denkt an seine Opfer, Kunsthallen-Chef Gerald Matt und Peter Noever, von deren „Affären“ rechtlich wenig übrig blieb. Wir erinnern uns an charismatische Persönlichkeiten, die in Kulturpolitik und Kuratorien keine ähnlich starken Gegenüber hatten. Wir erinnern uns an bislang nicht übertroffene Ausstellungsprogramme.

Die Kunst interessiert die „Kritiker“, vor allem geifernde Künstler übrigens, aber weniger als die Buchhaltung. Da fallen plötzlich auch Schenkungen, Leihgaben, Sponsoren, Besucherzahlen nicht mehr ins Gewicht. Im Gegenteil – alles war schlecht, Quote, Ausstellungen, Künstler und Ai Weiwei überhaupt. Die Urteile sind scharf und unerbittlich. Dabei ist die Kunst eine reine Grauzone. Alles andere ist verdächtig!

Im Rückblick muss man sagen: Wenn ein gewisses Narrentum irgendwo Berechtigung hat, dann im Museum. Anders ist das hier Verlangte gar nicht zu erreichen! Nämlich die Errichtung eines – ja, Pathos – Paradieses. Hierhin soll man flüchten. Hier soll man verführt, überrascht, unterhalten, gebildet, inspiriert, geschockt, gelabt, provoziert werden. Narrentum sollte einem Museumsdirektor nicht nur zustehen. Es sollte auch in der Ausschreibung verlangt werden.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2016)

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