Konsequenzen für Österreichs Türken

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PK(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Bundeskanzler Kern sucht nach dem Putschversuch in der Türkei den Dialog mit muslimischen Vertretern. Hofburg-Kandidat Hofer fordert einen Stopp von Einbürgerungen.

Der Putschversuch und die darauffolgenden umstrittenen Aktionen der türkischen Führung strahlen weiter nach Österreich aus. Vor allem die Demonstrationen mit Sympathiekundgebungen für Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf Wiens Straßen haben für Irritationen gesorgt. Und es dauerte nicht lang, bis auch auf politischer Ebene der Ruf nach Konsequenzen laut wurde. Unter anderem brachte FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ein altes Thema wieder auf – die austrotürkischen Doppelstaatsbürgerschaften. Wie viele es gibt bzw. ob überhaupt, ist freilich unklar. Die österreichischen Behörden haben nämlich keinerlei Einblick, wenn die Türkei Österreichern eine zweite Staatsbürgerschaft verleiht.

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Hofer hat jüngst in der „Tiroler Tageszeitung“ gemeint, er gehe von einer sehr großen Anzahl an Personen aus, die über solch „illegale“ Doppelstaatsbürgerschaften verfügten. Diese müssten aberkannt werden. Zusätzlich fordert der Dritte Nationalratspräsident mittlerweile überhaupt ein Aussetzen der Einbürgerungen von Türken, bis Ankara kooperiert.

Tatsächlich gilt es als offenes Geheimnis, dass mehrere Zehntausend Türken sowohl die österreichische als auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Allein, überprüft werden kann es nicht, wenn ein türkischstämmiger Neo-Österreicher die türkische Staatsbürgerschaft an einer österreichischen Botschaft wieder zurückerwirbt. Die Türkei erlaubt dieses Vorgehen mit der Rechtfertigung, dass dort Doppelstaatsbürgerschaften möglich sind.

Im Innenministerium meint man zur Thematik, dass sich bei konkreten Verdachtsfällen die Behörden – zuständig sind die Länder – darum kümmerten. Allerdings gibt es für die österreichischen Stellen gar keine Möglichkeit der Überprüfung, da die Türkei nicht bekannt gibt, wenn sie einem Österreicher eine zweite Nationalität ermöglicht. Das heißt, es könnten ein paar wenige sein, aber theoretisch auch Tausende.

Kern trifft Muslime

Norbert Hofers Gegenkandidat bei der Bundespräsidentenwahl, Alexander Van der Bellen, zeigte sich in einer Aussendung „äußerst besorgt“ über die Entwicklung in der Türkei. Der schon länger währende Krieg gegen Kurden und nun die Massenverhaftungen, das Nachdenken über die Wiedereinführung der Todesstrafe, die Verhängung des Ausnahmezustandes und die Aussetzung der Europäischen Menschrechtskonvention nach dem Putschversuch „deuten darauf hin, dass Präsident Erdoğan und seine Regierung die Türkei immer weiter weg von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Richtung autoritäres System führen wollen“. Er appelliert an die Staats- und Regierungschefs Europas, gemeinsam auf Erdoğan und die türkische Regierung einzuwirken, „um den Weg in Richtung Autoritarismus zu stoppen“.

Auch eine Folge der Demonstrationen am vergangenen Samstag war ein Treffen, das Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am frühen Donnerstagnachmittag mit Vertretern der Muslime einberufen hat. Ziel des Gesprächs war, „einen Weg des sinnvollen demokratischen Umgangs“ zu finden, wie es Kern formulierte. Eingeladen waren sowohl Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) als auch mehrerer Vereine. Auch die zuständige Staatssekretärin, Muna Duzdar (SPÖ), nahm teil.

Kern hatte erklärt, die Vermischung von politischen und religiösen Motiven bei den Demonstrationen in Österreich „mit einem gewissen Unbehagen“ zu sehen. Im Mittelpunkt bei den Gesprächen standen etwa Grenzüberschreitungen wie der türkisch-nationalistische „Wolfsgruß“ und ein Angriff von Demonstranten auf ein von Kurden betriebenes Lokal stehen. Überschreitungen Einzelner müssten scharf geahndet werden, so Kern nach dem Gespräch, gleichzeitig sprach er sich gegen Verallgemeinerungen aus.

Diskutiert wurde nach den Kundgebungen am Wochenende auch über die Förderung türkischer Vereine in Österreich. Bis auf Oberösterreich sehen die Bundesländer dabei jedoch offenbar kaum Handlungsbedarf. Oberösterreichs Integrationslandesrat, Rudi Anschober (Grüne), will jedenfalls bis November die Förderrichtlinien für Vereine grundlegend evaluieren und neu aufstellen.

Förderung für Integration

Stoßrichtung soll sein, dass man weg von einer personen- hin zu einer projektbezogenen Unterstützung komme, hieß es aus seinem Büro. Voraussetzung für eine Förderung ist generell, dass Vereine die Integrationsrichtlinien des Landes erfüllen. Künftig könnte es in Oberösterreich in die Richtung gehen, dass Vereine gezielt für Integrationsprojekte um öffentliche Gelder ansuchen.

In Wien dagegen argumentiert eine Sprecherin der für die Integrationsagenden zuständigen Stadträtin, Sandra Frauenberger (SPÖ), dass Vereine ohnehin geprüft werden, bevor sie städtische Mittel erhalten. Weist einer einen „nationalistischen Background“ auf, werde er nicht gefördert. (red.)

AUF EINEN BLICK

Demonstration. Rund um den Putschversuch in der Türkei demonstrierten am Wochenende in Wien einige Hundert Türkeistämmige für den türkischen Präsidenten Erdoğan. In Österreich wurde deswegen Kritik laut, dass sie sich nicht mit ihrer neuen Heimat identifizierten. Nun kommen auch Forderungen aus der Politik. Unter anderem fordert FPÖ-Kandidat Norbert Hofer die Aberkennung von Doppelstaatsbürgerschaften.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2016)

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