Banken sollten so wie bisher freiwillig auf Bankomatgebühren verzichten, damit die Politik große Themen angehen kann, statt Populismus zu betreiben.
Es geht ein Gespenst um in Österreich, das Gespenst der Bankomatgebühr. Seit ein kleiner ausländischer Betreiber von ca. 80Bankomaten im Bundesgebiet klammheimlich eine Transaktionsgebühr von 1,95Euro pro Abhebung eingeführt hat, herrscht helle Aufregung im Land. Die Welt werde nicht mehr lang stehen, so der einheitliche Tenor.
Aber kein Grund zum Verzweifeln. Die weißen Ritter und Retter der Geknechteten kommen schon angeritten: SPÖ-Sozialminister Alois Stöger hat ein Gesetz vorgelegt, das Bankomatgebühren verbieten soll – und macht sich über Nacht zum populärsten Mann im Wiener Politgeschäft. Die FPÖ ist für dieses Verbot. Die Grünen auch. Ebenso der Pensionistenverband, der Gewerkschaftsbund und, ohne sich der Ironie bewusst zu sein, auch die durch Zwangsgebühren finanzierte Arbeiterkammer.
Es ist auch verständlich. Der kostenfreie Bankomat ist ein Stück österreichisches Kulturgut. Nirgendwo anders können Sie mit einer Karte der Bank A bei einem Automaten der Bank B kostenfrei Geld holen. Man kann das eine Meisterleistung des Markts nennen, denn die Banken haben zur Popularisierung des Bankomaten, den es in Österreich erst seit 1980 gibt, bisher freiwillig auf Gebühren verzichtet.
Müssen wir diese Freiwilligkeit jetzt in Zwang umwandeln, weil ein einzelner Betreiber sich gegen diese fast vier Jahrzehnte alte österreichische Lösung stellt? Nein, wir haben es hier mit einem klassischen Fall von Populismus zu tun. Statt die großen Themen anzugehen, wie etwa das Pensionssystem, versucht der Sozialminister, rasches – gebührenfreies – politisches Kleingeld zu machen und vereint geschickt die Populisten aller Parteien, von Grün bis Blau.
Es ist auch davon auszugehen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung hinter der Verbotsidee steht – kann ja nicht schaden, oder? Auch der Autor dieser Zeilen hat nicht die geringste Lust, noch mehr Gebühren zu zahlen – weder an die Bank noch an sonst irgendjemanden. Und machen wir uns nichts vor: Viele Banken drehen an der Gebührenschraube, wo sie nur können. Ein Grund dafür ist die Nullzinspolitik der Zentralbanken. Erst kürzlich hat eine Studie der Nationalbank gezeigt, dass Banken in so einem Umfeld die verschiedenen Gebühren erhöhen, um Zinsverluste auszugleichen. Dabei bedienen sich die Banken ihrer eigenen Intransparenz, um die Bilanz aufzubessern. Und die meisten Kunden sind leichte Opfer.
Ganz ehrlich: Wissen Sie genau, wie viel Geld Sie vergangenes Jahr für Bankgeschäfte ausgegeben haben? Es wäre nicht verwunderlich, wenn noch nicht mal ein Bankenchef wüsste, wie viel Gebühren er von seinen Kunden wofür konkret verlangt. Aber auch wenn es ihnen jetzt noch Geld bringt – ultimativ ist diese Intransparenz ein Riesenproblem für die Banken. Denn Finanzdienstleistungen sind das nächste heiße Ding im Silicon Valley und den Start-up-Hauptstädten dieser Welt. Junge Kunden lieben simple, günstige Lösungen für Lebensbereiche, die vorher teuer und kompliziert schienen. Längst werben Finanz-Start-ups in Ländern, wo Bankomatgebühren gang und gäbe sind, mit Gratisabhebungen.
Es wäre also ein kolossales Eigentor der heimischen Banken, ausgerechnet jetzt Bankomatgebühren einzuführen. Stattdessen müssen die Banken aus ihrer Trance erwachen, einen Blick auf den Kalender werfen und einsehen, dass die Generation der heute 20- bis 30-Jährigen ohnehin weder Bankomatgebühren noch sonstige, intransparente Kosten auf Dauer akzeptieren wird. Auch ohne Verbot für Bankomatgebühren werden am Ende nur jene Institute übrig bleiben, die das verinnerlichen. Als Erstes sollten sie „Bankomatgebühren: niemals“ versprechen, damit das vom Tisch ist.
Und die Politik? Sie hat Hunderttausende Möglichkeiten, das Leben der Bürger zu vergünstigen, ohne ein einziges Verbot zu erlassen. Der schlimmste Gebührentreiber ist ohnehin der Staat selbst. Die Steuerreform war ein erster Schritt. Die Abschaffung der kalten Progression wäre ein zweiter. Und dann ist gleich wieder Zeit für die nächste Steuerreform. Das ist harte Arbeit, kein Populismus. Aber Arbeit, die sich für alle lohnt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2016)