Asylpolitik: EU will mehr Flüchtlinge aufnehmen

Flüchtlinge vor Lampedusa.
Flüchtlinge vor Lampedusa.(c) EPA (ITALIAN FINANCIAL POLICE/HO)
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Menschen aus Krisengebieten sollen künftig auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden. Nein aus Wien. „Leisten bereits hohen Beitrag“, sagt dazu Innenministerin Maria Fekter.

Brüssel/Wien (basta). Brüssel setzt einen weiteren Schritt in Richtung einheitlicher EU-Flüchtlingspolitik: Die Kommission will mehr Einwanderer aus Krisengebieten nach Europa holen. Zudem möchte Brüssel künftig Menschen, die vor Krieg und Verfolgung in die EU fliehen, auf die europäischen Länder verteilen, hat am Mittwoch die EU-Behörde vorgeschlagen.

Der Plan: Ab 2011 sollen die 27 EU-Staaten gemeinsam entscheiden, aus welcher Region sie wie viele Flüchtlinge aufnehmen. Für die Koordination soll eine eigene EU-Stelle zuständig sein. Verpflichtende Aufnahmequoten für einzelne Mitgliedstaaten werde es aber nicht geben, versicherte der zuständige EU-Innenkommissar Jacques Barrot. Die Beteiligung an dem Programm sei freiwillig. „Wir appellieren an die Mitgliedstaaten, sich solidarisch zu zeigen.“ Dies könne auch über den gemeinsamen Einsatz von Ärzten in Krisengebieten oder die Hilfe bei Flüchtlingstransporten geschehen.

EU-Geld für Solidarität

Für die Kooperation sind satte Belohnungen vorgesehen. Länder, die Flüchtlinge neu ansiedeln, sollen finanzielle Hilfe aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds erhalten, der heuer mit rund 90 Millionen Euro dotiert ist. Bis 2013 steigen die Mittel aus dem EU-Budget auf rund 120 Millionen Euro.

Ob dies genügen wird, den Staaten eine Teilnahme schmackhaft zu machen, ist zu bezweifeln. Eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik ist in vielen Hauptstädten Europas ein heißes Eisen, das sich politisch nicht verkaufen lässt. So scheiterten bereits zahlreiche Anläufe der EU-Kommission am Widerstand der EU-Länder, ohne deren Segen nichts geht.

Beweise dafür, dass sich die EU-Solidarität in Dingen humanitärer Flüchtlingshilfe in Grenzen hält, gibt es genug: An bestehenden EU-Pilotprojekten zur Neuansiedlung von Flüchtlingen nehmen nur zehn Länder teil – Schweden, Dänemark, Finnland, die Niederlande, Großbritannien, Irland, Portugal, Frankreich, Rumänien und Tschechien. Deutschland macht bei einzelnen Projekten, etwa bei der Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus Syrien, mit. Österreich war in den vergangenen Jahren nicht dabei (siehe rechts).

Für sich sprechen auch die Zahlen: Im Jahr 2008 wurden laut des Flüchtlingshilfswerks UNHCR nur 4378 Flüchtlinge in der EU „untergebracht“ – weltweit waren es 65.596. „Das ist zu wenig“, so Barrot. Auf genaue Zahlen festlegen will sich der Franzose aber nicht: Zur Frage, wie viele Flüchtlinge die EU denn künftig aufnehmen solle, gab er sich gestern diplomatisch bedeckt: „Darüber will ich nicht spekulieren.“

Den vorprogrammierten Aufschrei in den EU-Hauptstädten will er vermutlich verhindern. Schwierigkeiten mit den Mitgliedstaaten hat er derzeit ohnehin genug. So muss er sich mit bizarren Aussagen von Italiens Premier Silvio Berlusconi herumplagen. Dieser forderte unlängst, dass Kommissionssprecher und Kommissionsmitglieder zu EU-Themen in der Öffentlichkeit schweigen sollten – ansonsten werde sich Rom nicht mehr an Abstimmungen der Kommission beteiligen. Hintergrund: Ein Kommissionssprecher hatte sich erdreistet, die fragwürdige Abschiebung von Flüchtlingen aus Italien infrage zu stellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2009)

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