Der andere Widerstand: Mit Humor gegen den Kommunismus

(c) Reuters (Peter Andrews)
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Politische Witze und die Bloßstellung der Propaganda haben bei der Niederringung des kommunistischen Herrschaftssystems in Polen eine wichtige Rolle gespielt.

Wie ein totalitäres System bekämpfen? Man konnte sich gegen den Kommunismus offen und selbstmörderisch stellen, man konnte protestieren, demonstrieren, streiken, sich mit der Miliz Straßenkämpfe liefern und Parteigebäude anzünden. Aber man konnte den Kommunismus auch subtil, humorvoll, verdeckt bekämpfen – mit Witz und Satire.


 Die Satire war ein Mittel zum Zweck. Konkret hieß das, dass man das repressive Herrschaftssystem, das uns von außen aufgezwungen worden war, auslacht, es bloßstellt und den Mut zum Widerstand unterstützt. Gleichzeitig versuchte Satire zu bewirken, dass die Menschen das verhasste Herrschaftssystem nicht als überwältigende Bedrohung empfinden.


Erinnern wir uns daran, wie die Sowjetunion ihr Machtsystem gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in Polen durchgesetzt hat. Dieses System war gegen die Sehnsüchte und Bestrebungen der polnischen Bevölkerung gerichtet, und es war den polnischen kulturellen Traditionen diametral entgegengesetzt.

Gefängnis für Witzeerzählen


1945 war ich zwar noch im Kindesalter, aber ich habe schon vieles mitbekommen. Aus meinen damaligen Erfahrungen kann ich nicht behaupten, dass irgendjemand aus der näheren oder ferneren Umgebung meiner Eltern der kommunistischen Ideologie verfallen wäre oder behauptet hätte, dass das kommunistische Herrschaftssystem rechtmäßig sei.


Jeder Witz, der damals nur im Flüsterton und nur im Kreise von Vertrauten erzählte wurde – auf Witzeerzählen war eine Gefängnisstrafe ausgesetzt –, ist mit tosendem Applaus aufgenommen worden, weil Autor und Adressat stets gleicher Ansicht waren.

Allesamt verrückt


Danach wurde die Angelegenheit komplizierter. Die Jahre der kommunistischen Propaganda – so dachte ich in den 1960er- und 1970er-Jahren – mussten eines bewirkt haben: Die neue Generation von Polen, die nach dem Krieg auf die Welt gekommen ist, war nicht mehr dezidiert antikommunistisch eingestellt. Es ist ja auch eine völlig unmögliche Forderung an ein Volk, ständig im Widerstand zu verharren.


In solchen Situationen tritt unter Sozialpsychologen ein allgemein bekanntes Phänomen auf, die kognitive Dissonanz. Wenn so eine Konstellation wie unser unvollendeter Totalitarismus (dieser war weder ein Sozialismus noch ein Kommunismus, es wusste keiner so genau, was das eigentlich war) jahrelang andauert, fängt die Bevölkerung an, plötzlich auch gute Seiten am Herrschaftssystem zu entdecken. Andernfalls würden allesamt verrückt werden.
Dies bringt die Gefahr mit sich, dass die Bevölkerung mit der Zeit anfängt, ernsthaft an das System zu glauben. So wie z. B. viele Russen an das System glaubten, was nichts Ungewöhnliches ist. Jene Unglücklichen waren jahrzehntelang ständiger und massiver kommunistischer Propaganda ausgesetzt – viel länger und intensiver, als unsereins mit dem Geplärre konfrontiert gewesen war.


In der Folge wurde die Satire stufenweise mit Elementen der Polemik ergänzt: Es sollte versucht werden, die Idiotie hinter dem sozialistischen Wirtschaftssystem aufzuzeigen. Es sollte erklärt werden, dass das System, in dem wir lebten, keine Demokratie darstellt, obwohl es sich offiziell selbst als solche bezeichnete. Und es sollte daran erinnert werden, dass unsere Zukunft bei Weitem nicht so rosig sein würde, wie es uns diverse Slogans auf Plakatwänden und die Machthaber in ihren Reden verhießen.


Diese Dinge konnten natürlich nicht offen ausgesprochen werden. Deshalb sprach und schrieb ich in Andeutungen und Metaphern. Alles wurde schwammig ausgedrückt, weil die staatliche Zensur sehr aufmerksam und sehr rücksichtslos vorging. Die Übermittlung der Inhalte hat dennoch funktioniert.
Vor Kurzem war ich auf einer Vortragsreise für polnische Emigranten in den USA unterwegs. Dort kam ein Emigrant aus der „Solidarność“-Zeit auf mich zu und sagte mir, er wolle mir herzlich danken. Er sei damals ein Hörer meiner Sendungen in Polen gewesen, und er habe es mir zu verdanken, dass er nicht zum Kommunisten geworden sei.

Entblößung des Systems


Ich habe mir damals gedacht, dass es kein größeres Kompliment für meine Arbeit geben könne. Es ist mir nämlich genau um das gegangen. Dies war auch der Grund dafür, weshalb ich Satiriker wurde.
Nach der Entstehung der freien Gewerkschaft Solidarność und dem kurzlebigen Versuch, die Bewegung im Dezember 1981 zu unterdrücken, änderte sich wieder alles völlig. Eine neue Situation, eine neue Rolle. Die Polemik wurde obsolet, da man die Bevölkerung nicht mehr davon überzeugen musste, dass das ein schlechtes Herrschaftssystem sei.


Das System hatte von sich aus sein wahres Angesicht gezeigt. Kein ehrlicher und halbwegs denkender Mensch konnte noch ernsthaft an den Kommunismus glauben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war es die Hauptaufgabe eines jeden Künstlers, sich auf die Seite der „Solidarność“ und der im Untergrund entstehenden Gesellschaft zu schlagen.


Ich brach damals vorübergehend alle Kontakte zum staatlichen Radio, Fernsehen und zur Presse ab. Ich wusste, dass alles, was ich in diesen Medien publizieren würde, keinen Einfluss mehr auf die Bevölkerung haben würde. Ich wandte mich ganz der „Unterwelt“ zu, produzierte Tonaufnahmen, organisierte Zeichnungsausstellungen, nahm Sendungen und Spektakel auf Video auf. Alles geschah außerhalb der Zensur und war natürlich illegal. Meine Werke verkauften sich im ganzen Land sehr gut. Salopp gesagt, war es wirklich toll, weil gänzlich ohne Zensur zu schreiben mir das größte Vergnügen bereitete.


Unabhängig davon spielte allein die Tatsache illegalen Handelns eine große Rolle. Es demonstrierte, dass auch bekannte Künstler auf der Seite von Herrn Lech Walesa und der ganzen Freiheitsbewegung standen.


Je länger das System andauerte, desto wichtiger wurde die Rolle der Satire und Groteske. Wir übten unseren Verstand dadurch, dass wir alle offiziellen Informationen kritisch hinterfragten. Wir haben die Lügen der vorherrschende Propaganda bloßgestellt. Es war tatsächlich die zentrale Aufgabe der Satiriker, die Verblödung der Menschen zu verhindern.

Eine Waffe für die Freiheit


Es gab Zeiten, in denen man nur noch mithilfe der Satire etwas ausdrücken konnte. Aber mit der Gründung der „Solidarność“ wurde dann klar, dass das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit von der überwiegenden Mehrheit der Polen geteilt wurde, und dass der Kommunismus nicht mehr die Macht hatte, um uns zu ernähren oder zu erschießen. Sein Ende war nur noch eine Frage der Zeit.


Inzwischen sind politische Witze schlicht und ergreifend unnötig geworden! Ihre Grundlage, Waffen im Kampf für die Freiheit zu sein, ist entfallen. Endlich gibt es keinen Kommunismus mehr, deshalb gibt es auch jene Witze nicht mehr, die aus großen Emotionen und Widerstandswillen entstanden sind.


Vielleicht gibt es vereinzelt noch welche. Manchmal sind sie gar nicht schlecht, aber sie interessieren lediglich eine kleine Zuhörerschaft. Aber das ist normal! Und behüte uns Gott davor, dass politische Witze wieder zur Ware erster Klasse in den mitteleuropäischen Gesellschaften – oder wo auch immer – werden!

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