Die Post stolpert in die Zukunft

Post-Chef Georg Pölzl hält an seinem Prestigeprojekt „Shöpping“ fest.
Post-Chef Georg Pölzl hält an seinem Prestigeprojekt „Shöpping“ fest.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit „Shöpping“, einem österreichischen Mini-Amazon, will die Post gegen sinkende Umsätze im Briefgeschäft ankämpfen. Doch das 30-Millionen-Projekt läuft alles andere als rund.

Wien. Seit Anfang Juni sollte in der Post das „Shöpping“-Fieber grassieren. Richtig gelesen: Shöpping, mit Ö. So nennt der teilstaatliche Konzern sein jüngstes Projekt: eine Art österreichisches Mini–Amazon für heimische Händler. Im März als große Zukunftsvision angekündigt, sollte Shöpping seit Anfang des Sommers zumindest im betriebsinternen Testbetrieb laufen. Doch der Start des 30-Millionen-Euro-Projekts verläuft mehr als holprig. Noch interessieren sich kaum Händler im Land dafür, ihre Waren gemeinsam mit der Post im Internet zu verkaufen. Da trifft es sich nicht schlecht, dass auch die Software nicht fristgerecht fertig wurde. Und zu allem Überfluss gibt es Probleme mit der Belegschaft. Kurzum, der Starttermin konnte nicht gehalten werden.

Ob der nächste Anlauf schon im Herbst gestartet wird, entscheidet sich wohl kommende Woche. Wie „Die Presse“ erfahren hat, ist für Anfang August ein Strategiemeeting zwischen Post-Vorstand Georg Pölzl und der Geschäftsführung der zuständigen Post-Tochter, E-Commerce GmbH, anberaumt. Der Businessplan müsse komplett überarbeitet werden, heißt es. Gerüchte, dass die Post das Projekt schon einstampfen will, weist der gelbe Riese zurück. Shöpping soll noch eine Chance bekommen.

Start-up oder Post-Abteilung?

Die Turbulenzen bei der E-Commerce-Tochter kommen für Post-Chef Pölzl zur schlechtesten Zeit. Das magere Wachstum im Paketgeschäft kann den Einbruch bei den Briefen nicht wettmachen. Zumal sich mit der Deutschen Post erstmals echte Konkurrenz bemerkbar macht. Dazu kommt die Ungewissheit rund um die Post-Beteiligung in der Türkei (siehe Artikel unten).

Shöpping sollte der Befreiungsschlag werden, den Pölzl dem Aufsichtsrat schon vor Jahren versprochen hat. Weg von den alten Briefmarken, rein ins digitale Geschäft, das den Umsatz der Post bereits entscheidend mitbestimmt. Derzeit werden 60 Prozent aller online bestellten Pakete aus dem Ausland nach Österreich geliefert. Dabei gebe es dieselbe Ware auch im Land, so die Idee hinter Shöpping. Warum also nicht einen eigenen Amazon-Klon aufbauen und Produkte aus Österreich nach Österreich liefern lassen? Von der österreichischen Post, versteht sich.

So weit die Theorie. In der Praxis zieren sich die großen Händler allerdings. Selbst Pölzl räumt ein, dass der Start eher schleppend verlaufen ist. Aber so sei das eben, wenn man etwas Neues probiere, probieren müsse, weil das alte analoge Geschäft nicht mehr die erwünschte Rendite abwirft.

Die Anfangszeit von Shöpping ist ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es für solide, etablierte Konzerne ist, eine Start-up-Mentalität zu schaffen und Innovationen zu produzieren. Etliche der zwanzig Shöpping-Mitarbeiter fühlten sich chronisch überlastet. Sie berichten von Personalaufnahmestopps bei gleichzeitiger Urlaubssperre und ständigen Interventionen aus der Zentrale. „Auf dem Papier ist das hier ein Start-up“, erzählt ein Insider. „Vom Machtgefüge her aber nur eine Abteilung der staatlichen Post.“ Im späten Frühjahr mündete der Unmut einiger Mitarbeiter in einem regelrechten Eklat. Drei Angestellte mussten gehen. Weil sie einen Betriebsrat gründen und endlich gehört werden wollten, sagen sie. Weil sie sich „danebenbenommen“ haben, sagt die Post. Wie immer die laufenden Verfahren ausgehen, die schiefe Optik bleibt.

Pölzl: Shöpping startet heuer

Zugegeben, die Post betritt mit Shöpping Neuland. Und nicht jeder Versuch, innovativ zu sein, wird zwangsläufig ein Erfolg. Die Frage ist aber, wann man eingesteht, dass man aufs falsche Pferd gesetzt hat. Noch sind erst 20 Prozent der budgetierten 30 Millionen Euro ausgegeben. Post-Chef Pölzl sieht diesen Moment trotzdem noch lange nicht gekommen. „Wir glauben an den heimischen E-Commerce-Markt“, sagt er zur „Presse“. „Und ich glaube, dass Shöpping hier seinen Beitrag leisten wird.“ Gerüchte über untaugliche Businesspläne oder gar ein heimliches Ende des Prestigeprojekts seien Unsinn. „Jeder, der einen Businessplan macht, weiß eines genau: Dass er falsch ist“, sagt der ehemalige Berater bei McKinsey. Anpassungen seien im laufenden Geschäft ganz normal. Entscheidend sei, dass es erste Erfolge gebe: 30 bis 40 Händler sind an Bord. Shöpping wird noch heuer starten, beteuert Pölzl. Eine Erfolgsgarantie gibt auch er lieber nicht ab.

AUF EINEN BLICK

Die Post baut die Onlineplattform Shöpping auf, über die heimische Händler ihre Waren anbieten sollen. 30 Millionen Euro sind für das Mini-Amazon budgetiert. Doch bei den Händlern ist noch einiges an Überzeugungsarbeit notwendig. 30 bis 40 sind bisher an Bord. Bei Amazon sind es Tausende.

Anfang August werden die Weichen für Shöpping neu gestellt. Gerüchte über ein vorzeitiges Aus des Prestigeprojekts weist die Post zurück. Shöpping komme später als angekündigt, aber es komme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2016)

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