„Wir müssen das Publikum unterhalten“

Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider eröffneten im Mai 2006 demonstrativ Bawag-Sparbücher. Am Schalter: der damalige Bankdirektor Ewald Nowotny. Später war Grasser Zeuge im Bawag-Prozess.
Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider eröffneten im Mai 2006 demonstrativ Bawag-Sparbücher. Am Schalter: der damalige Bankdirektor Ewald Nowotny. Später war Grasser Zeuge im Bawag-Prozess. (c) Jaeger/APA/picturedesk.com
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Was haben Buwog- und Bawag-Prozess gemeinsam? Inhaltlich nichts, aber die Äußerlichkeiten legen einen Vergleich nahe. Karl-Heinz Grasser kam schon damals vor. Und die Dimensionen sind in beiden Fällen rekordverdächtig.

Wien. Beim Bawag-Verfahren rund um Helmut Elsner und Co. war so mancher Superlativ bemüht worden. „Größter Prozess der Zweiten Republik“ wurde das Justizspektakel um die verlustreichen Karibikgeschäfte der damaligen Gewerkschaftsbank genannt (wenngleich auch die Erste Republik keinen größeren Prozess verzeichnete). Und nun: Statt Bawag also Buwog. Was auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat, ist bei näherer Betrachtung durchaus einen Vergleich wert. Vor allem, weil es erneut um einen Strafprozess der Rekorde geht.

Neun Angeklagte teilten sich beim Bawag-Prozess die hölzerne Anklagebank im denkmalgeschützten Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen. Diesmal sind 16 Personen angeklagt. Und ja, auch diesmal wird es wohl wieder „Schauplatz Schwurgerichtssaal“ heißen. Man darf die Wette wagen, dass die Tonanlage wie immer nicht richtig funktionieren und die Hitze, wenn es denn Sommer wird (Sommer 2017 als Prozessstart für den Buwog-Prozess ist durchaus realistisch), mangels ordentlicher Klimatisierung ziemlich lähmend sein wird.

Zwei, um die sich alles dreht

Der Bawag-Prozess hatte seine alles überstrahlende Figur, nämlich den streitbaren, vielleicht nicht besonders empathischen, aber jedenfalls charismatischen Helmut Elsner. Gegen Elsner verblassten alle anderen. „Die Presse“ schrieb damals (nicht ganz so zartfühlend, aber treffend) über die Nummer zwei der Angeklagten-Riege im Bawag-Verfahren, nämlich über Elsner-Nachfolger Johann Zwettler: „Zwettler ist der, der den Fotografen im Weg steht, wenn sie sich auf Elsner und Flöttl stürzen.“ Zur Erinnerung: Elsner bekam wegen Untreue die Höchststrafe, zehn Jahre Haft, Zwettler fünf Jahre, Spekulant Wolfgang Flöttl wurde freigesprochen.

Damit sind gleich zwei Stichworte gefallen: Auch der anrollende Prozess um die laut Anklage von Korruption begleitete Privatisierung von Bundeswohnbaugesellschaften (Buwog) hat sein personifiziertes Zentralgestirn: Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Und auch jetzt geht es in erster Linie um dasselbe Delikt: Untreue. Mit derselben Strafdrohung: bis zu zehn Jahre Haft.

Weitere interessante Parallelen: Auch im Buwog-Verfahren wird ein prominenter Ex-Bankdirektor, der Ex-Chef der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich Ludwig Scharinger, als Angeklagter geführt (bei ihm geht es nicht um das Thema Buwog, sondern um den Sachverhalt Terminal Tower). Einschränkend sei angemerkt: Sämtliche 16 Angeklagten im Buwog-/Terminal-Tower-Verfahren können noch Einsprüche gegen die Anklageschrift einbringen. Und für alle 16 gilt die Unschuldsvermutung. Anklage-Einsprüche sind in der Regel jedoch nicht dazu geeignet, einen Prozess vom Tisch zu wischen, sie zielen auf das Aufspüren und Beseitigen von Fehlern in der Anklage ab. Jedenfalls aber hemmen sie die konkreten Vorbereitungen des Gerichts.

Nächstes Stichwort: Prozessleitung. Das Bawag-Verfahren wurde bekanntlich von einer Frau geleitet, von der Richterin Claudia Bandion-Ortner, die damit den Prozess ihres Lebens zugeteilt bekam, später dem Ruf in die Politik folgte und per ÖVP-Ticket Justizministerin wurde. Nach zweieinviertel Jahren wurde sie jedoch abgelöst. Mittlerweile ist sie wieder Richterin in „ihrem“ Gericht, eben dem Straflandesgericht Wien (vulgo: Graues Haus). Eine Kollegin von ihr, Richterin Marion Hohenecker, wird nun als künftige Buwog-Richterin gehandelt (dafür sind prozessrechtliche Gründe ausschlaggebend).

Die Wege von Bandion-Ortner und Grasser kreuzten sich zweimal: Einmal, März 2007, wurde Grasser unter regem Publikumsinteresse im Bawag-Prozess in den Zeugenstand gerufen. Zum Auftakt seiner Aussage tat er selbstsicher kund: „Wir müssen das Publikum ein bisschen unterhalten.“

Dann wurde er gefragt, warum ihm als Finanzminister der Bawag-Skandal jahrelang entgangen war. Zeuge Grasser verwies dabei auf das „gute aktive und passive Verschleiern“ der Bank.

Zum zweiten Mal hatte Bandion-Ortner mit Grasser zu tun, als sie bereits Ministerin war: Sie gab Anfang 2011 eine mündliche Weisung, das Buwog-Ermittlungsverfahren „bis zum Sommer“ abzuschließen. (Später wurde gestritten, ob es sich wirklich um eine Weisung, die Ankündigung einer Weisung oder eine bloße Empfehlung gehandelt habe.) Diese holprige Episode sollte den Abschied der Ministerin beschleunigen. Und es sollte viel länger, bis Juli 2016 dauern, ehe das Buwog-Vorverfahren so weit fortgeschritten war, dass die Anklage präsentiert werden konnte. Wie lang werden Grasser und Co. nun auf gerichtliche Entscheidungen warten müssen? Im Bawag-Prozess war die Anklage im März 2007 fertig. Die gerichtliche Aufarbeitung dauerte ein Jahr. Vom 16. Juli 2007 bis 4. Juli 2008. Unglaubliche 117 Verhandlungstage zogen ins Land.

Rechtskraft im Jahr 2022?

Von Rechtskraft war in erster Instanz keine Spur. Es vergingen nicht weniger als zweieinhalb Jahre, ehe der OGH weite Teile des Ersturteils aufhob. Und eine teilweise Neuaustragung der Karibikverhandlung verlangte. Im Frühling 2012 begann diese. Dabei wurden – es war mittlerweile Dezember 2012 – etliche Schuldsprüche in Freisprüche umgewandelt. Die Staatsanwaltschaft wollte dies nicht hinnehmen, kündigte trotzig einen erneuten Gang vor die Höchstrichter an, verzichtete dann aber darauf, sodass im März 2013 ein Schlussstrich gezogen wurde. Sechs Jahre nach Anklageeinbringung.

Somit kann man sich in etwa vorstellen, dass der um einiges größer konzipierte Buwog-Prozess mindestens genauso lang dauert. Eher länger. Hier hat allein die Anklageschrift 825 Seiten, die Bawag-Anklage war auch umfangreich, nimmt sich mit 109 Seiten aber vergleichsweise wie eine Einleitung aus. Bei sechs Jahren bis zur „Buwog-Rechtskraft“ wären wir im Jahr 2022.

Nur beim Schaden schlägt Bawag die Buwog um Längen: Der Spekulationsverlust der früheren Elsner-Bank wurde mit 1,4 Milliarden Euro festgestellt. Für Grasser und Co. gilt laut (nicht rechtskräftiger) Anklage ein Schaden von „nur“ zehn Millionen Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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