Zwei Parteien, zwei Ideen von Amerika

Ex-Präsident Bill Clinton pries seine Frau, Hillary, als die Reformerin, die Amerika jetzt braucht.
Ex-Präsident Bill Clinton pries seine Frau, Hillary, als die Reformerin, die Amerika jetzt braucht.(c) REUTERS (SCOTT AUDETTE)
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Die Parteitage der Republikaner und Demokraten legen offen, wie total unterschiedlich ihre Sicht auf die USA ist: Hier ein abgewrackter Staat, der seine besten Tage hinter sich hat, da ein Leuchtturm der Hoffnung.

Philadelphia. Cleveland und Philadelphia liegen circa 700 Kilometer voneinander entfernt, doch in politischer Hinsicht trennen die beiden Städte dieser Tage Welten. Die Republikaner weihten ihre Parteikonferenz in der Stadt am Eriesee einer von Zorn und Frustration gesättigten Generalanklage gegen das Amerika, das Barack Obama zweimal hintereinander ins Weiße Haus gewählt hatte und nun Hillary Clinton zur Bewahrerin dieses Vermächtnisses machen könnte.

Desaster und Erniedrigungen

Ein Vermächtnis, das die Republikaner und vor allem die Anhänger des Präsidentenkandidaten Donald Trump zutiefst erschüttert. Die USA seien wirtschaftlich, militärisch und moralisch abgewrackt. An alldem seien einzig Barack Obama und Hillary Clinton schuld. „Präsident Obama hat unsere Staatsschulden auf mehr als 19 Billionen Dollar verdoppelt!“, rief Trump seinen Anhängern am vergangenen Donnerstag zu. „Und was haben wir dafür bekommen? Unsere Straßen und Brücken brechen ein, unsere Flughäfen sind in Dritte-Welt-Zustand, und 43 Millionen Amerikaner beziehen Lebensmittelmarken.“

Der imperiale Verfall macht in dieser Sichtweise jedoch nicht an den Landesgrenzen halt: „Nicht nur haben unsere Bürger zu Hause Desaster durchlitten, sie haben auch eine internationale Erniedrigung nach der anderen erleiden müssen.“

Demgegenüber steht der Tenor des demokratischen Parteitreffens, das seit Montag in der ersten Hauptstadt der damals jungen Vereinigten Staaten stattfindet. Auf der Bühne sah man, nur zum Beispiel: eine körperlich schwer behinderte junge Frau im Rollstuhl, die davon erzählte, wie Clinton sie darin ermutigte, sich nicht unterkriegen zu lassen, ein elfjähriges, in Las Vegas geborenes Mädchen, dessen Eltern keinen Aufenthaltstitel in den USA haben und jeden Tag abgeschoben werden könnten („Ich möchte Rechtsanwältin werden, damit ich anderen Familien helfen kann“), und die Mothers of the Movement, eine Gruppe schwarzer Frauen, deren Söhne und Töchter in Polizeigewahrsam oder bei Verkehrskontrollen ums Leben gekommen waren. „Hillary Clinton hat keine Angst, sich mit trauernden Müttern an einen Tisch zu sitzen und unseren Schmerz zu teilen. Sie hat nicht nur unseren Problemen zugehört, sondern sie hat uns eingeladen, Teil der Lösung zu sein“, sagte eine von ihnen.

Bill Clintons „Frohbotschaft“

Ob die düstere Botschaft der Republikaner eher zieht als die optimistische der Demokraten, ist offen. Die Arbeitslosenrate liegt unter fünf Prozent, doch viele Amerikaner haben seit Jahren keine echten Einkommenszuwächse gesehen, und viele haben sich vom Arbeitsmarkt verabschiedet. Bei ihnen punktet Trump mit dem Versprechen, Amerika wieder groß zu machen, so vage das auch ist. Die erhöhte Anzahl von Terroranschlägen weltweit wiederum könnte paradoxerweise Clinton dienen, denn in Krisenzeiten neigen die Wähler zu den Kandidaten, die sie kennen.

Wofür Clinton zu stehen hofft, das fasste ihr Mann Bill am Dienstag in die Worte „Der Grund, weshalb Sie sie wählen sollten, ist jener, dass es uns im größten Land auf Erden immer um das Morgen ging. Ihre Kinder und Enkelkinder werden Sie ewig dafür segnen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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