Wir erleben eine Krise der Politik, nicht eine der Banken

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Der Bankenstresstest offenbart eine der größten Schwächen der europäischen Geldbranche: Die Konservierung schlechter Strukturen.

Der europäische Bankenstresstest, dessen Ergebnis heute, Freitag, am späten Abend veröffentlicht wird, hat im Vorfeld schon für beträchtliche Nervosität auf den Finanzmärkten gesorgt. Wohl zu Recht, denn wenn sich Großinstitute wie die Deutsche Bank, deren Bilanzsumme annähernd fünfmal so hoch wie das österreichische Bruttoinlandsprodukt ist, oder die französischen Großbanken BNP Paribas und Crédit Agricole am unteren Ende der Stressresistenz wiederfinden, dann hat ganz Europa ein Problem. Solche Kaliber lassen sich im Ernstfall nicht einfach auffangen – und sie haben dann durchaus das Zeug, ganze Volkswirtschaften mit sich zu reißen.

Man muss sich zwar nicht zu Tode fürchten: Es gibt in Europa zurzeit (außer in Italien) keine wirkliche Bankenkrise. Aber eine solche könnte im Fall einer Rezession, wie sie im Stresstest simuliert wird, sehr schnell ausbrechen. Dass dann gerade die ganz Großen als Erste zu Wackelkandidaten zu mutieren drohen, ist ein beunruhigendes Szenario.

Zumal ja hierzulande herzlich wenig geschieht, um den für das Funktionieren der Volkswirtschaft extrem wichtigen Sektor wieder ordentlich auf die Beine zu stellen. Während die Amerikaner in der jüngsten Finanzkrise den Markt über die Bankbranche drüberfahren ließen und mehrere Hundert Institute (ohne Schaden für deren Kunden) zusperrten, wurde in Europa der Weg der „Bankenrettung“ auf Kosten der Steuerzahler gewählt. Mit dem Ergebnis, dass immer noch zahlreiche Institute, die unter normalen Umständen längst den Weg alles Irdischen gegangen wären, mitgeschleppt werden.

Wie sich so etwas konjunkturell auswirkt, kann man seit einem Vierteljahrhundert in Japan beobachten. Der Hauptgrund für diesen Irrweg liegt in der immer noch dramatischen Verquickung von Politik und Geldwirtschaft. Österreich hat seine Hypos, Deutschland seine Landesbanken, über den Staatseinfluss in Frankreich muss man nicht extra reden, in Spanien ist der Sparkassensektor völlig politisch verfilzt.

Mit anderen Worten: Im Bankensektor spielen vielfältige politische Partikularinteressen mit, die vernünftigen marktwirtschaftlichen Lösungen im Wege stehen. Und diese Interessen werden auch durchgesetzt. Wenn auch nicht immer: Dass Österreichs Institute im Stresstest wesentlich schärferen Stresskriterien unterworfen wurden als etwa italienische, führen Beobachter auch auf die völlige Absenz österreichischen Politlobbyings bei der Festlegung der Testkriterien zurück.


Wie auch immer: Solang die Verfilzung zwischen Politik und Banken nicht beseitigt ist, wird der europäische Bankensektor nicht wirklich saniert werden. Und so lang wird man die Rechnung für diese Fehlentwicklung auch permanent den Steuerzahlern servieren. Man sieht das ja jetzt in Italien, wo trotz aller europäischen Bail-in-Beschlüsse schon wieder Hintertüren für eine klassische Bankenrettung gesucht werden.

Wie wäre es, würde man hier einmal den amerikanischen Weg probieren: statt die schlechten Teile der Problembank herauszulösen und den Steuerzahlern umzuhängen (die klassische Bad Bank), die überlebensfähigen Teile samt den Einlagen in einer Good Bank zusammenzufassen und zu verkaufen. Und den Aktionären und Anleihegläubigern, also den eigentlichen Risikonehmern, den Rest zu überlassen.

Damit hätte man endlich die Strukturbereinigung, von der man seit der Finanzkrise redet, die man aber nie umgesetzt hat. Und man hätte gesunde Banken, die nicht von mitgeschleppten Zombiebanken unfair niederkonkurrenziert werden.

Das wäre, ganz nebenbei, die Voraussetzung für eine Ankurbelung der lahmenden europäischen Konjunktur, die derzeit ja nicht zuletzt auch daran leidet, dass die Kreditvergabe extrem eingeschränkt ist.

Dazu bedürfte es aber eines politischen Kraftakts. Denn wir haben weniger eine Bankenkrise, vielmehr eine Krise der Bankenpolitik, die wegen der Verquickung mit Staatsbanken vor notwendigen radikalen Schritten zurückschreckt.

E-Mails an:josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

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