Nackte Hühner und eine Dusche fürs Schwein

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Klimawandel beeinflusst das Stallklima: Nutztiere werden künftig in der Intensivtierhaltung mit Hitzestress kämpfen. Ein Forscherteam entwirft und überprüft deshalb Szenarien, die Kühlung verschaffen.

Werden wir in zwanzig Jahren mit höheren Temperaturen leben müssen? Ja, sagen Prognosen für die Landwirtschaft und prophezeien: Nutztiere leiden künftig unter Hitzestress. Das betrifft vor allem die in Stallungen gehaltenen Tiere; in Österreich sind das überwiegend Hühner und Schweine. „Und schon ein Schwein allein gibt gegen Ende seiner Mastzeit circa 250 Watt Wärme ab“, sagt Günther Schauberger vom Institut für Physiologie, Pathophysiologie und Biophysik der Vet-Med-Uni Wien, „das ist ein Viertel der Leistung eines Föhns, den Sie in Betrieb haben.“

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Boku Wien erforscht er, wie der Klimawandel sich auf das Stallklima in der Schweine- und Geflügelproduktion auswirkt. Das Projekt „PiPoCooL“ wird vom Klima- und Energiefonds des Lebens- und Technologieministeriums finanziert. Bisher hatten hohe Besatzdichten – wie in der Intensivtierhaltung üblich – auch ihren Vorteil: Je mehr Tiere gehalten werden, umso mehr Wärme entsteht. „Besonders Jungtiere haben höhere Temperaturansprüche“, Ferkel etwa benötigen 30 Grad Celsius. „Und Heizen funktioniert im Stall immer besser als Kühlen“, sagt Schauberger, „auch ohne Einflussnahme ist es um zwei bis drei Grad wärmer als draußen.“

Für die Jahre von 2036 bis 2065 erstellt die ZAMG nun Klimaszenarien für zwei Modellregionen, die 90Prozent der österreichischen Schweine- und zwei Drittel der Hühnerproduktion bestreiten: den Raum Wels im nördlichen Alpenvorland und die Südoststeiermark. Danach werden dort Maßnahmen getestet, die geeignet scheinen, den Tieren auch künftig adäquate Stalltemperaturen zu bieten.

Kühlung dank Luftfeuchtigkeit

„Es gibt Erfahrungswerte aus den Tropen“, sagt Schauberger, „aber dort herrscht auch eine andere Luftfeuchtigkeit.“ Evaporative Kühlung ist deshalb ein Stichwort: „Waren Sie im Sommer schon einmal auf dem Wiener Rathausplatz? Da wird Wasser fein versprüht, um so zu kühlen.“ Weiter gedacht könnte man Schweinen Duschen anbieten, die sie selbst auslösen. „Da ist natürlich auf den Wasserverbrauch zu achten.“ Außerdem müsste der Stall im Sommer nicht voll belegt sein.

Andere Überlegungen gehen dahin, nicht die Umgebung an die Tiere anzupassen, sondern umgekehrt – etwa, indem man „den Tagesgang invertiert“, wie Schauberger sagt: Die Tiere schlafen untertags. Fütterungszeiten in der Nacht steigern dann ihre Aktivität, wenn es draußen ohnehin kühler ist. Sogar genetisch adaptierte Züchtungen werden erwogen: „Es gibt Hühner, die kein Federkleid mehr haben, damit sie die Wärme besser an die Umgebung abgeben.“

Bei Schweinen könnte man auf Rassen zurückgreifen, die vor 30 bis 40 Jahren im Einsatz waren: „Sie bringen zwar weniger Leistung“, so Schauberger, „sind aber robuster in Bezug auf die Temperatur.“ Forscher der Institute für Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Nutztierwissenschaften der Boku Wien werden evaluieren, ob sich die Hitzeresistenz der Tiere bei verlängerter Mastdauer – etwa 120 statt 100 Tage – für die Landwirte ökonomisch rechnet.

Dennoch: „Die Schweinefreilandhaltung wird aufgrund des Klimawandels nicht zunehmen“, sagt Schauberger. „In England funktioniert das recht gut, aber da sind umgekehrt auch die Wintertemperaturen nie so niedrig wie bei uns.“

„Die Landwirtschaft ist ein relativ träger Bereich, das heißt, Stallungen, die heute gebaut werden, sind in 30, 40 Jahren auch noch in Betrieb“, sagt Schauberger. Bei aktuellen Neubauten sei es also sinnvoll, die künftigen Bedingungen zu bedenken. „Wir wollen unsere Ergebnisse deshalb auch an die Landwirte weitergeben.“

Definitiv ist für die Tierhaltung in den kommenden Jahrzehnten: „Jede Maßnahme braucht am Ende mehr Energie“, so Schauberger – um wie viel mehr jeweils, das soll das Projekt in den nächsten beiden Jahren klären. (trick)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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