Clintons Kunst der Provokation

Democratic U.S. presidential nominee Clinton accepts the nomination on the fourth and final night at the Democratic National Convention in Philadelphia
Democratic U.S. presidential nominee Clinton accepts the nomination on the fourth and final night at the Democratic National Convention in Philadelphia(c) REUTERS (MIKE SEGAR)
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Die demokratische Kandidatin hatte auf ihrem Parteitag ein Hauptziel: an Donald Trumps dünner Haut zu kratzen und ihren republikanischen Rivalen als nervenschwach darzustellen.

Washington. Wenn selbst ein langjähriger Propagandist des ärgsten ideologischen Gegners Beifall spendet, hat man als Politiker vermutlich nicht alles falsch gemacht. „Ob man sie mag oder nicht, das ist eine sehr gute Leistung von Hillary Clinton. Das ist mit Abstand die beste Rede, die sie je gehalten hat. Sie gewinnt diese beiden Wochen“, applaudierte Rich Galen, der frühere Pressesprecher des republikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney und des ehemaligen Vorsitzenden des US-Abgeordnetenhauses Newt Gingrich, in der Nacht auf Freitag der demokratischen Präsidentschaftskandidatin via Twitter.

Mit „diese beiden Wochen“ waren die beiden aufeinanderfolgenden Parteitreffen der Republikaner und Demokraten gemeint, die nun mit Hillary Clintons Kür zur ersten Frau, die ernsthafte Chancen auf die Wahl zur Präsidentin hat, endeten. Die frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin präsentierte in ihrer Ansprache jenes breite politische Programm, mit dem sie bereits in den Vorwahlen nach zwischenzeitlich hartem Kampf letztlich doch klar gegen ihren linken Herausforderer Bernie Sanders gesiegt hatte.

„Wall Street, Konzerne und die Superreichen werden ihren fairen Anteil an den Steuern zu zahlen beginnen“, versprach sie dem linken Flügel der Partei. Gleichzeitig versprach sie aber eine Erleichterung der Rahmenbedingungen für die Gründung und Finanzierung neuer Unternehmen („Zu viele gute Ideen sterben auf dem Parkplatz von Bankfilialen“). Sie appellierte pragmatisch für eine Verschärfung des Rechts auf Waffenbesitz („Ich bin nicht hier, um Ihnen Ihre Waffen wegzunehmen. Ich will bloß nicht, dass Sie von jemandem erschossen werden, der niemals an eine Waffe hätte kommen sollen“). Und sie gelobte, den Einfluss anonymer Geldgeber auf Amerikas Politik zu bekämpfen: „Ich glaube, dass unsere Volkswirtschaft nicht so funktioniert, wie sie das sollte, weil unsere Demokratie nicht so funktioniert, wie sie das sollte. Darum müssen wir Höchstrichter ernennen, die das Geld aus der Politik schaffen und den Zugang zum Wahlrecht erweitern statt ihn zu verengen.“

Doch ihr wichtigstes Ziel während dieser vier beinahe perfekt inszenierten Tage des Parteitreffens bestand darin, einem breiten Publikum zu veranschaulichen, wie dünnhäutig ihr republikanischer Widersacher Donald Trump auf Kritik reagieren kann. „Stellen Sie sich ihn im Oval Office während einer echten Krise vor. Einem Mann, den man schon mit einem Tweet aufziehen kann, können wir nicht die Atomwaffen anvertrauen“, warnte Clinton.

Trump will seine Kritiker schlagen

Und wie bestellt legte Trump ebenfalls am Donnerstag, bei einer Kundgebung in Iowa, den Beweis für die ihm von vielen Seiten vorgeworfene schwache Kontrolle über seine Emotionen unter Beweis: „Wisst ihr was?“, rief er seinen Anhängern zu. „Ich möchte einige von diesen Rednern so hart schlagen, dass ihnen der Schädel wackelt. Die würden sich nie wieder erholen. Ich möchte vor allem einen Typen schlagen, einen sehr kleinen Kerl. Ihm würde der Schädel wackeln, er wüsste nicht, was zur Hölle passiert ist.“ Am Freitag reagierte er sich in gewohnter Manier auf Twitter ab.

Wen Trump metaphorisch oder tatsächlich verprügeln wollte, ließ er offen. Vermutlich dürfte er sich auf den früheren New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg bezogen haben. Der parteiunabhängige Milliardär hatte am Mittwoch einen Appell an andere unabhängige Wähler gerichtet, für Clinton zu stimmen. Und er hatte Trumps viel kritisierte Geschäftspraktiken scharfzüngig auseinandergenommen. „Ich bin ein New Yorker, und wir New Yorker erkennen einen Schwindel, wenn wir ihn sehen“, hatte Bloomberg über Trumps Versprechen gesagt, Arbeitsplätze aus Mexiko und Fernost zurück in die USA zu holen. „Trump sagt, er wolle das Land so wie seine Firmen führen: Gott steh uns bei!“

Clintons Vertrauensproblem

Clintons Augenmerk liegt nun darauf, vom geringen Vertrauen abzulenken, das die Mehrheit der Amerikaner in ihre Ehrlichkeit legen, und dafür den Unterschied in Kompetenz und Temperament gegenüber Trump zu betonen. Dabei hilft es ihr, dass das öffentliche Misstrauen ihm gegenüber ähnlich tief ist. Im Juni ergab eine Gallup-Umfrage, dass nur 33 Prozent Trump für ehrlich halten und 32 Prozent Clinton.

Hoffnung kann sie aus der Erfahrung ihres Ehemanns schöpfen. Bill Clintons Zuspruch nach Bekanntwerden seiner Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky und der misslungenen Entthronung durch die Republikaner im Kongress erreichte im Dezember 1998 den Höchststand von 73 Prozent. Nach Ende seiner Amtszeit lag er bei 65 Prozent Unterstützung. Er war damit beliebter als jeder andere abtretende Präsident seit Harry Truman – und das, obwohl nur 39 Prozent der Amerikaner meinten, er sei ehrlich und vertrauenswürdig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2016)

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