Kein Psychogewäsch: Selbstliebe für Anfänger

Eugen Prehsler
Eugen Prehsler(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Unternehmensberater und vierfache Vater Eugen Prehsler glaubt, jeder von uns ist “unterliebt„. In seinem unerwartet amüsanten Buch erklärt er, was wir dagegen tun können.

Wer das Buch von Eugen Prehsler liest, ist nie allein. Auch wenn man sich beim Lesen der richtigen Bücher eigentlich nie allein fühlen sollte, ist das hier anders gemeint. Denn man begegnet schon auf den ersten Seiten einer traurig-liebenswürdigen Truppe, die einen bis zum Schluss begleitet (und die mit ihren Macken zwischendurch, ja, auch etwas nervt). Da ist der 64-jährige Rudi, der Probleme hat, seinem Sohn seine Zuneigung zu zeigen. Die 38-jährige Patrizia, eine sportliche Single-Frau, die zwar einen kleinen Hund hat, sich aber nach einem Partner verzehrt, einem menschlichen wohlgemerkt. Dazu gesellen sich der 22-jährige Peter, der sich von befristetem Werkvertrag zu befristetem Werkvertrag hangelt und die 44-jährige Claudia aus Graz, die früh Witwe geworden ist.

Sie alle leiden unter der sogenannten Unterliebe. Ein Phänomen, das die Menschheit, wie Prehsler sagt, seit Jahrtausenden begleitet. Und ein Zustand, „der alle denkende Menschen irgendwann erwischt“. Der hervorgerufen wird durch Ereignisse wie Trennung oder Jobverlust, bei manchen schon gepflanzt wird in der Kindheit und wuchert im Erwachsenenleben weiter durch eine nicht erfüllte Partnerschaft oder grantige Vorgesetzte.

Der vierfache Vater und Wirtschaftstrainer Preshler geht nicht davon aus, dass man die Unterliebe komplett ausmerzen kann, „aber man kann sie abschwächen“. Einen klassischen Ratgeber wollte er nicht schreiben, „davon gibt es ohnehin genug“. Sondern seinen Lesern Ideen mitgeben, sie zum Nachdenken anregen. Sein Buch basiert auf einer Formel, die ihm erstmals bei einem Psychologenkongress unterkam und die angeblich amerikanische Experten während des Kalten Krieges entwickelt haben, um den Selbstwert der Russen abzumontieren. Sie lautet: Liebe gesamt = Selbstliebe plus Fremdliebe (Lg = Ls + Lf). Prehsler führt seine Formelthese so aus: „Sagen wir, wir brauchen Liebe gesamt zehn. Das ist kein wissenschaftlich fundierter Wert, sondern vollkommen willkürlich. Wenn sie eine Selbstliebe von acht haben, dann brauchen sie theoretisch nur mehr Fremdliebe von zwei.“ Egal, wie groß Selbst- und Fremdliebe sind, am Ende sollte immer die Summe zehn herauskommen. Daraus folgt: Wer sich selbst liebt, macht sich weniger abhängig von der Liebe anderer.

Doch kein Psychogewäsch

Bisher klingt das hier Gesagte vermutlich für viele nach Psychogewäsch. Prehsler selbst nennt platte Ratschläge wie „Nimm dich so an, wie du bist“ so – und hält nichts davon, denn: „Wenn das so einfach ginge, wäre es schön.“ Er beweist mit seinem unerwartet amüsanten Buch, dass man sich dem Thema Selbstliebe anders widmen kann. Locker, unverkrampft, spielerisch. Und indem er ständig mit uns Lesern und seinen Kunstfiguren redet. Dass er sich für (Kunst-)Geschichte interessiert, merkt man bei der Lektüre. Er zitiert Schopenhauer, schreibt über die spanische Reconquista und erinnert an die Leidensgeschichte von Jesus und Maria, und erklärt, wieso wir in unserer christlichen Kultur so kuschelig vertraut mit dem Leiden sind. Selbst in dem eigentlich positiv konnotierten Satz „Ich kann sie gut leiden“, steckt das Wort. Wir kennen und nutzen Begriffe wie „Mitleid“ und „Selbstmitleid“, aber die Worte „Mitfreude“ und „Selbsterfreuung“ sind uns völlig fremd.

Prehsler sagt, er finde es befremdlich, dass sogar das Kinderkriegen und -haben für viele Eltern mit einem Leidenssatz verbunden wird, der ungefähr so geht: „Ich tue alles für meine Kinder.“ Er hingegen sagt: „Ich habe meine Kinder aus purem Egoismus bekommen. Niemand hat von mir verlangt, dass ich alles für sie tue.“ Egoismus und Eigenlob hält er an sich für nichts Schlechtes. „Sich ins Zentrum des eigenen Lebens zu stellen, tut nicht nur Ihnen gut, sondern auch Ihrer Umgebung. Menschen, die nicht auf sich schauen, tendieren dazu, in irgendeiner Form unrund zu werden und anderen auf die Nerven zu gehen“, schreibt er.

Niemand muss glücklich sein

Aber Achtung, eines will Prehsler mit seinem Nichtratgeber auf keinen Fall: seine Leser zur Selbstoptimierung animieren. Sein Buch liest sich eher wie eine zurückgelehnte Anleitung zum Lockerlassen. Auch vom grassierenden Perfektionismus, glücklich sein zu müssen, hält er nichts.

Prehsler selbst hat trotz seiner stabilen Ehe, den vier Kindern und eines selbstbestimmten Berufslebens auch schwierige Phasen erlebt, die er im Buch sanft streift. Er versucht, sich alle paar Jahre neu zu erfinden, „weil mir sonst fad wird“. Vom Fernosthandel (Spielwaren) kam er in die Unternehmensberatung, dann ins Coaching, nun ist er auch Autor. Und im Nebenberuf Kabarettist. Gerade entwickelt er mit dem jungen Regisseur Bernhard Braher aus dem „Unterliebe“-Buch ein Programm, das im Herbst auf die Bühne kommen soll. Roland Düringer hat das Nachwort zu seinem Buch geschrieben. Prehsler hatte es ihm ungefragt zugesandt, nicht mit einer Reaktion gerechnet. Doch dann meldete sich Düringer und konstatierte dem überraschten Neo-Autor: „Das Buch ist leiwand, meine Frau hat es auch schon gelesen.“ Seither sind die beiden befreundet.

Prehsler hat aber auch einen Disclaimer für sein Buch: Es sei sicher nicht das Richtige für Menschen, die gerade etwas Furchtbares erlebt, etwa ihr Kind oder ihren Partner verloren haben. Er schreibt eher eine Streitschrift gegen die alltägliche, unliebsame Art, mit uns selbst umzugehen.

Zu Person und Buch

Eugen Prehsler, geb. 1960 in Wien als einer von drei Söhnen. Studium der Handelswissenschaften, zertifizierter Coach. Heute als Trainer/Coach für Unternehmen und Führungskräfte, Autor und Kabarettist tätig. Verheiratet seit 1981, vierfacher Vater (zwei Söhne, zwei Töchter).
Das Buch „Bist du unterliebt? - Selbstliebe für Anfänger“ ist im Verlag Edition A erschienen (250 Seiten, 19,95 Euro).
Weiter Infos unter: www.prehsler.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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