Von der Baustelle zur Mode

Elke Freytag
Elke Freytag(c) Elke Freytag
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Um an ihr Ziel zu gelangen, musste Elke Freytag einen großen Umweg gehen: Erst nach vielen Berufsjahren als Bautechnikerin machte sie sich als Modedesignerin selbstständig.

Sie nähte Kleider für ihre Barbie-Puppen und strickte Pullover für ihre Freunde. Elke Freytag weiß seit ihrer Kindheit, dass sie für die Modebranche gemacht ist. Doch ihr Vater hatte ganz andere Pläne für sie. Anstatt die Modeschule Hetzendorf abzuschließen, die Freytag am liebsten besucht hätte, absolvierte sie eine HTL für Bautechnik in Krems. Sie schloss Weiterbildungen für Baumanagement und Kaufmannschaft ab. Obwohl es nicht ihre Leidenschaft war, fügte sie sich ihrem Vater, der selbst ein Unternehmen leitete. „Ich war folgsam und machte, was erwartet wurde“, erzählt sie.

Seit zwölf Jahren allerdings führt sie ein kleines Modegeschäft in der Lindengasse. Die Boutique, die sehr dezent eingerichtet ist, schafft ohne viel Kitsch eine helle und offene Atmosphäre. Freytag steht hinter dem Tresen, hinter ihr blitzt „Kiss“ auf – ein Schriftzug aus Luftballons ist an einem Spiegel angebracht. An den Kleiderstangen hängen vor allem Einzelstücke, alle von Freytag entworfen. Von jeder Größe gebe es nur eines, die Stücke seien immer limitiert. Erst bei Bedarf werde nachproduziert.

Quereinstieg in die Modewelt. Kleidung, die den ganzen Tag getragen werden kann, eine Mischung aus casual, für untertags im Büro, und elegant, für den Abend – das ist Freytags Konzept. Sie sieht sich aber vor allem als Kleiderspezialistin: „Da ist man mit einem Stück angezogen.“ Auch sie selbst trägt eines ihrer Kleider. Das schwarz-graue Stück stammt aus ihrer Frühling-Sommer-Kollektion. So genannte Statement-Pieces ziehen sich durch die verschiedenen Kollektionen – das kann ein Stoff, eine Farbe oder ein Schnitt sein, der die Reihe der Kleiderstücke kennzeichnet.

Bevor sich Freytag für den Umstieg in die Modewelt entschied, arbeitete sie in Planungsbüros und beschäftigte sich mit Umbauten. In einem Büro für Kulturtechnik plante sie Kanäle und Kläranlagen mit. Nebenbei aber absolvierte sie eine berufsbegleitende Modeausbildung, denn sie wusste ja, wo ihre eigentliche Stärke lag. Schon während ihrer Zeit in der Bauplanung entwarf und nähte die heutige Designerin ihre Kleidung immer selbst. Doch dann fing die Firma, bei der sie zuletzt als Bautechnikerin angestellt war, damit an, Abteilungen auszulagern. Da beschloss Freytag, einen Schlussstrich zu ziehen und verabschiedete sich endgültig von diesem Beruf. Sie wagte den Quereinstieg in die Modeszene.

Mittlerweile hat Freytag auch schon ihre dritte Bademodenkollektion herausgebracht. Ihr Couturekini, eine Mischung aus Bikini und Badeanzug, verkaufe sich besonders gut. Ober- und Unterteil sind durch Zwischenteile verbunden, die verschlungen um die Taille führen. Freytag sieht diese Kreation, die seither in keiner Saison mehr fehlen darf, als eines ihrer interessantesten Werke. Gerade bei der Bademode könne sich die Designerin besonders ausleben. Es gebe so viele Möglichkeiten, die Bikinis abweichend vom herkömmlichen Schnitt zu gestalten. Neben dem Couturekini gibt es aber auch noch „normale“ Bikinis, für die sie gern glitzernde Farben wählt. Die meisten seien diese Saison aber schon ausverkauft.

Ihre Kundinnengruppe sei sehr breit gestreut, eine genaue Zielgruppe gebe es nicht. Das findet Freytag gut. Sie möchte nicht in Schubladen gesteckt werden. Übrigens ist das auch ein Grund dafür, warum sie ihr Alter nicht verrät. Wobei Alter bei ihren Kollektionen keine allzu große Rolle spielt, wie sie meint. Oft kommen Mütter mit ihren Töchtern oder auch Männer, die für ihre Frauen und Freundinnen einkaufen.

Die Stoffe erwirbt Freytag vor allem in Deutschland und Österreich im Großhandel. Wichtig sei ihr, dass die Qualität passt. Nicht immer, habe sie das Gefühl, seien die Firmen ehrlich, was ihre Produktion und Stoffe betrifft. Sie selbst möchte fair produzieren und fair verkaufen. Sie nähe die Prototypen für ihre Kleidungsstücke meistens selbst. Die Couturelinie wird in einem Atelier in Wien produziert und die übrigen Stücke von einer Dame in Klosterneuburg.

Als Freytag 2009 eröffnete, wusste sie nicht, wie so ein Unternehmen funktioniert. Trotzdem traute sie sich, machte es von Anfang an so, wie sie es sich dachte. Und es klappte. Obwohl ihr der Vater anfangs vom Umstieg abgeraten hatte.

Mit dem Erfolg der Tochter änderte auch er schließlich seine Meinung. Er, der niederösterreichische Installateur, der selbst 30 Mitarbeiter hatte, zeigte in den vergangenen Jahren doch noch Begeisterung für das Geschäft. „Er hat sich mehr mit dem Thema Mode auseinandergesetzt und realisiert, was da eigentlich für eine Arbeit dahintersteckt.“ Vor zwei Wochen starb er. Zuletzt habe er ihr noch bei der geplanten Umgestaltung des Geschäfts geholfen.


Wie ein Bauplan. Gewisse Fähigkeiten aus ihrer technischen Laufbahn kann Freytag bis heute gut gebrauchen. Das Schnittzeichnen falle ihr leichter. „Das ist auch ein technischer Vorgang. Ein Kleidungsstück ist wie ein Bauplan. Man muss genau sein, und darauf wurde ich jahrelang gedrillt.“ Auch bei der Unternehmensführung sind ihre kaufmännischen Fähigkeiten von Vorteil. Diese braucht sie jetzt auch besonders. Mit der Wirtschaftskrise habe sich das Kaufverhalten der Kunden geändert, sie kaufen weniger. Trotzdem laufe es gut bei ihr im Geschäft – jedenfalls sei sie zufrieden.

Nicht zuletzt, weil auch der Standort ihrer Boutique genau dort ist, wo sie ihn haben wollte – in der Lindengasse in Wien-Neubau. Die unscheinbare Seitengasse zieht nicht nur modeaffine Kunden an, sondern auch immer wieder kleine Labels, die dort groß werden wollen. Freytag meint, sie sei eine der Ersten gewesen, die das wachsende Modebewusstsein in Wien erkannt habe. Im siebten Bezirk etablierte sich die Modeszene, die Leute achteten mehr auf Qualität und Nachhaltigkeit – und Elke Freytag öffnete ihre Tore. „Ich wollte immer in die Lindengasse. Der Standort passt zu dem, was ich mache. Hier hat alles angefangen.“

Das Label

Elke Freytag stellt ihre Kollektionen in Österreich und Mitteleuropa her – in der Regel Kleinstserien oder Einzelstücke.

In ihrem Shop oder online sind die Stücke erhältlich. Lindengasse 14, 1070 Wien, Mi–Fr 12–18 Uhr, Sa 10–15 Uhr.

www.elkefreytag.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2016)

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