Köln im Ausnahmezustand

 Pro-Erdogan-Demonstration in Köln
Pro-Erdogan-Demonstration in Köln Reuters
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Bei einer Großkundgebung sind rund 40.000 Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf die Straße gegangen.

Eine Großkundgebung in Köln mit tausenden Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist am Sonntag weitgehend friedlich verlaufen. Die Polizei sprach von rund 40.000 Teilnehmern. Die Gegendemonstranten mobilisierten mehrere hundert Anhänger. Vereinzelt gab es Zwischenfälle, doch gelang es der Polizei weitgehend, die verschiedenen Lager zu trennen. Polizeipräsident Jürgen Mathies zeigte sich in einer Zwischenbilanz zufrieden mit dem Einsatzverlauf.

Zu der türkischen Großdemo am rechten Kölner Rheinufer hatte eine "Plattform für Demokratie - gegen Staatsstreich" aufgerufen, der mehr als 100 Vereine und Gruppen angehören. Einer der Mitveranstalter, die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), hatte mit insgesamt "30.000 bis 50.000 Teilnehmern" gerechnet.

Viele Pro-Erdogan-Demonstranten schwenkten türkische Fahnen, einige auch die deutsche Flagge. Ihnen standen hunderte Gegendemonstranten gegenüber. Insgesamt waren vier Gegenveranstaltungen angemeldet, unter anderem aus dem linken Spektrum sowie von Jugendorganisationen deutscher Parteien.

Einsatz "sehr richtig kalkuliert"

Rund 650 Gegendemonstranten versammelten sich auf dem Kölner Heumarkt. Dort kam es nach Polizeiangaben am Nachmittag zu einer Auseinandersetzung zwischen rund 80 rechtsnationalen Türken und mehr als hundert kurdischen Teilnehmern des linken Aufzugs. Mehrere Rauchbomben seien gezündet worden. Die Polizei konnte beide Lager trennen. Über mögliche Verletzte war zunächst nichts bekannt.

Vor dem Kölner Bahnhof demonstrierten nach Polizeiangaben rund 250 Anhänger der rechten Partei Pro NRW, darunter auch eine "größere Anzahl" Hooligans. Ein Polizeisprecher beschrieb die Stimmung als "durchaus aggressiv". Es gab Personenkontrollen und zahlreiche Durchsuchungen. Die Kundgebung der Rechten wurde letztlich aufgelöst.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot von rund 2700 Beamten im Einsatz, um die Demonstrationen abzusichern und Auseinandersetzungen zu verhindern. Acht Wasserwerfer und gepanzerte Räumfahrzeuge standen bereit. Polizeipräsident erklärte am Abend, der gesamte Einsatz sei "bisher positiv verlaufen" und "sehr richtig kalkuliert" gewesen. Innenminister Ralf Jäger (SPD) lobte die "große Umsicht und Professionalität" der Polizei bei dem "brisanten und komplexen" Einsatz.

Pro-Erdogan-Demo in Köln
Pro-Erdogan-Demo in KölnReuters

Erdogans Videoauftritt wurde verboten

Im Vorfeld der Großkundgebung hatte es eine sehr emotionale Debatte gegeben. Deutsche Politiker warnten vor einer Spaltung der in Deutschland lebenden Türken. Auch über ein Verbot der Demo war diskutiert worden. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der "Süddeutschen Zeitung" vom Samstag, innenpolitische Spannungen aus der Türkei nach Deutschland zu tragen und Menschen mit anderen politischen Überzeugungen einzuschüchtern, "das geht nicht".

Eine von den Veranstaltern geplante Zuschaltung von ausländischen Rednern wie dem türkischen Präsidenten Erdogan per Videoleinwand war verboten worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte am Samstagabend einen Antrag, dies doch zuzulassen, aus formalen Gründen abgewiesen. Die türkische Präsidentschaft kritisierte die Entscheidung. Dies sei "unannehmbar", erklärte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Sonntag. Es handle sich um einen Verstoß gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

"Schande für unsere freie und friedliche Zivilisation"

Auf dem Kundgebungsprogramm stand auch die Verlesung einer Erklärung in deutscher und türkischer Sprache. Darin wurde laut vorab veröffentlichtem Text mit Blick auf den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli der Beistand "der freien Welt und aller demokratischen Staaten mit der Türkei, ihrem Volk und ihrer Regierung" eingefordert. Auch mehrere hundert Sicherheitsbeamte und Zivilisten hätten "ihr Leben im Kampf für die Demokratie und Freiheit in der Türkei gelassen", hieß es weiter. Medien wurden "einseitige und voreingenommene Berichte" vorgeworfen. In der Erklärung wurden zugleich die jüngsten teils extremistischen Gewalttaten in Deutschland und Europa verurteilt. Sie seien "eine Schande für unsere freie und friedliche Zivilisation".

(APA/AFP)

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