Job-Aus für kritischen Arzt: Stadt streicht umstrittenen Passus

Archivbild: Gernot Rainer vor Gericht
Archivbild: Gernot Rainer vor Gericht(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Wegen seiner „mangelnden Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt“ wurde der Vertrag des Arztes Gernot Rainer nicht verlängert. Dieser Punkt soll nun „überarbeitet“ werden.

Wien. Eine „ausdrücklich negative Beurteilung“ bei der „Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien und der Dienststelle“ hat Lungenfacharzt Gernot Rainer seinen Job im Otto-Wagner-Spital gekostet. Wie berichtet, wurde sein bis Ende April befristeter Vertrag aufgrund dieses Punktes in der Mitarbeiterbeurteilung nicht verlängert, obwohl ihm sonst ein fachlich ausgezeichnetes Dienstzeugnis – umgerechnet würde der Gründer der Ärztegewerkschaft Asklepios einen Notendurchschnitt von 1,1 erreichen – bescheinigt wurde.

Diese Entscheidung des Krankenanstaltenverbundes (KAV) sorgte nicht nur unter der Ärzteschaft und bei allen Oppositionsparteien für Unverständnis, sondern rief auch Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) auf den Plan. Er überprüfte den Fall und kam zum Schluss, dass die Vorgangsweise des KAV „nicht nachvollzogen“ werden könne und „die Ablehnung seines Ansuchens auf Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis einen Missstand in der Verwaltung des Landes Wien darstellt“. Darüber hinaus empfahl Kräuter, „die beiden Kriterien ,Identifikation mit den Gesamtinteressen der Dienststelle‘ und ,Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt Wien‘ aus der standardisierten Mitarbeiterbeurteilung zu streichen“.

„Inhaltliche Überarbeitung“

Mit Erfolg. Denn die Magistratsdirektion der Stadt Wien (Geschäftsbereich Personal und Revision) teilte nun in einer schriftlichen Stellungnahme mit, dass „im Zuge der geplanten Dienstrechts- und Besoldungsreform sowohl die formale als auch die inhaltliche Überarbeitung der derzeitigen Mitarbeiterbeurteilung geplant ist“. Eine Neugestaltung werde „unter Berücksichtigung des Vorschlags der Volksanwaltschaft erfolgen“. Ob die beiden Kriterien gestrichen oder nur umformuliert werden, steht laut Magistratsdirektion noch nicht fest. Beides sei möglich. Die gesamten Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung der Dienstrechts- und Besoldungsreform würden aber erst im Laufe des Jahres 2017 abgeschlossen sein. „Ich bewerte es als sehr positiv, dass der Empfehlung der Volksanwaltschaft entsprochen wird“, sagt Kräuter. „Denn eine selbstbestimmte und kritische Ärzteschaft ist eine enorm wichtige Voraussetzung zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabenstellung.“ Der Volksanwaltschaft gehe es „auf übergeordneter Ebene um eine optimale Versorgung und Behandlung von Patientinnen und Patienten in Wien“.

Wie brisant diese Entscheidung des KAV ist, wird vor allem angesichts des zweiten Verhandlungstages am 13. Juli in dem Prozess deutlich, den Rainer nach der Nichtverlängerung seines Vertrages gegen die Stadt (MA 2) angestrebt hat. Darin will er erreichen, dass der Entschluss der sogenannten Dauervertragskommission, seinen Vertrag nicht zu verlängern, rückgängig gemacht und er weiterhin – unbefristet – beschäftigt wird.

Dort erklärte Sonja Boiger, die Abteilungsleiterin im Vorstandsbereich Personal des KAV ist und in der Dauervertragskommission saß, dass sie unter der Identifikation mit den Gesamtinteressen der Stadt unter anderem eine Identifikation mit den Leitlinien des KAV, dem Spitalskonzept und dem rot-grünen Regierungsprogramm verstehe. Dies, so habe sie aufgrund der Mitarbeiterbeurteilung angenommen, sei bei Rainer nicht gegeben gewesen. Auf die Frage, wie oft dieser Passus schon zu einem negativen Bescheid geführt habe, meinte sie, dass dieser Punkt in den zwölf Jahren, die sie überblicke, noch nie angekreuzt war. Boiger wollte dazu auf „Presse“-Nachfrage „keine Auskünfte erteilen“.

Für Rainer, der wiederholt Kritik an Personal- und Leistungsreduktionen in Wiener Spitälern geübt hatte, ist die Entscheidung des KAV, diesen Passus aus der Mitarbeiterbeurteilung zu nehmen, „ein Schuldeingeständnis des KAV und der letzte Beweis meiner politisch motivierten Kündigung wegen meiner Asklepios-Tätigkeit“. Denn hier sei eine Bewertung verwendet worden, „die in der Kommission eindeutig politisch, sogar parteipolitisch verstanden wurde, um meine Entfernung aus dem Spital zu rechtfertigen“. Es könne nicht von 30.000 Gemeindebediensteten eine Identifikation mit dem Regierungsprogramm verlangt werden, so Rainer, „sonst müssten nach einem Regierungswechsel alle ausgetauscht werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 2. August 2016)

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