SPÖ, Grüne und Neos unterstützen den Vorschlag, politisch Verfolgten aus der Türkei Schutz zu gewähren. Norbert Hofer warnt davor, den türkischen Konflikt nach Österreich zu holen.
19.000 Verhaftungen, mehr als 58.600 Suspendierungen von Staatsbediensteten und 3500 dauerhafte Entlassungen: Seit dem Putschversuch Mitte Juli geht die türkische Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan hart gegen Militärangehörige, Anwälte, Journalisten, Universitätsangestellte und Kritiker vor. Sie bekämpfe die "parallelen Strukturen", die der muslimische Prediger und mutmaßliche Drahtzieher des Coups, Fetullah Gülen, aufgebaut habe, argumentiert Ankara. Daher herrscht nicht nur die Befürchtung vor einer neuen Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten, sollte der EU-Türkei-Pakt scheitern. Experten fürchten, dass viele Türken vor der immer autoritäreren Regierung aus ihrem eigenen Land fliehen könnten.
Aus diesem Anlass forderte Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Dienstag im ORF, dass in der Türkei politisch verfolgte Personen "als Flüchtlinge in der Europäischen Union Schutz bekommen" sollen. Am Mittwoch bekam sie hierfür die Rückendeckung einer Mehrheit der österreichischen EU-Parlamentarier: SPÖ, Grüne und Neos sind dafür, die ÖVP wendet sich aber gegen einen Automatismus und fordert eine Einzelfallprüfung, während die FPÖ vor den Folgen einer solchen "Einladung" warnt.
Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, sprach sich für eine differenzierte Vorgangsweise aus. "Wer Schutz sucht und schutzbedürftig ist, muss geprüft werden, ob das zurecht besteht. Aber einen Automatismus, eine Generalklausel, kann es nicht nur gegenüber der Türkei, sondern auch generell nicht geben", sagte Karas im Ö1-"Morgenjournal".
Der SPÖ-Europamandatar Eugen Freund begrüßt indes den Vorschlag und will eine Resolution des EU-Parlaments. Man sollte "den Druck auf die Türkei erhöhen, dass rechtmäßig vorgegangen wird". Laut dem grünen EU-Parlamentarier Michel Reimon würden in der Türkei derzeit auch Menschen verfolgt, die mit dem gescheiterten Militärputsch nichts zu tun haben. "Denen man muss man helfen, da muss die EU, die Staaten, Hilfe anbieten", so seine Forderung. Neos-Europaabgeordente Angelika Mlinar kann sich ebenfalls ein politisches Asyl für solche Menschen vorstellen. "Wir sind von Anfang an recht kritisch dem EU-Türkei-Flüchtlingsdeal gegenüber gestanden. Das ist ganz extrem instabil". Es müsse auch damit gerechnet werden, dass die Flüchtlingssituaiton "völlig andere Dimensionen erreichen" könne.
Innenministerium verweist auf Asylrecht
Gänzlich ab lehnt das Vorhaben hingegender FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky. "Wenn eine politische Einladung" ausgesprochen werde, eine "Generaleinladung, ihr könnt alle, die ihr glaubt, verfolgt zu werden, in die EU kommen, hat das einen ganz anderen Charakter. Wohin das führt, haben wir bei (der deutschen Kanzlerin Angela, Anm.) Merkel gesehen". Da hätten sich Tausende in Scharen auf die Reise gemacht und die "Kapazitäten in der EU sind schon heute mehr als überdehnt". Ähnlich kritisch ist Vilimskys Parteikollege, Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer. "Der erste Grün-Reflex auf die Ereignisse in der Türkei war, den vom Erdogan-Regime verfolgten Türken bei uns in Österreich Asyl zu gewähren. Soweit so gutmenschlich", sagte Hofer. Das aber würde zu einem "Chaos führen".
Das Innenministerium verwies am Mittwoch in einer Stellungnahme auf die herrschende Gesetzeslage. "Es gilt das bestehende Asylrecht", und damit die Einzelfallprüfung, erklärte der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck. Dies sei "unabhängig davon, ob das die Türkei oder ein anderes Land ist. Wenn jemand politisch verfolgt wird, dann ist in einem Asylverfahren zu prüfen und darüber zu entscheiden". Dies sei "natürlich eine Einzelfallentscheidung und das gilt selbstverständlich auch für die Türkei", so Grundböck.
Lopatka: Automatismus "würde Erdogans falsche Politik unterstützen"
Gleich argumentierten kurz darauf die Klubobmänner von SPÖ und ÖVP, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, im Ö1-"Mittagsjournal". In puncto Automatismus waren sie dann aber unterschiedlicher Auffassung. "Dass jemand kommt, einfach mit der Behauptung, er war bei den Putschisten und hat daher Anspruch auf Asyl, das geht ganz sicher nicht. Das wäre das völlig falsche Signal", betonte Lopatka. Damit würde man Erdogan "in seiner falschen Politik unterstützen“, warnte der ÖVP-Klubchef. Denn, „er würde sofort seine Kritiker loswerden, da er sagen könnte: Die bekommen ohnehin in Österreich Asyl“.
Schieder konnte der Automatik-Idee indes mehr abgewinnen, will aber als ersten Schritt ein härteres Vorgehen der EU gegen den türkischen Präsidenten. „Inhaltlich ist es unsere Verpflichtung, nicht einfach zuzusehen, denn, was sich in der Türkei abspielt ist menschenrechtswidrig", sagte er. Außen- und Innenministerium müssten prüfen, "was machbar ist".
(Red./APA)