AMS rechnet erst Ende 2016 mit mehr arbeitslosen Flüchtlingen

Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Verfahren dauern laut AMS-Chef Kopf länger als erwartet. Im Vorjahr haben 95.000 Menschen in Österreich einen Asylantrag gestellt.

Derzeit kümmert sich das Arbeitsmarktservice (AMS) um 25.000 Flüchtlinge, die entweder vorgemerkt arbeitslos oder in Schulungsmaßnahmen sind. Eigentlich habe das AMS heuer mit 30.000 zusätzlichen Flüchtlingen gerechnet, erläutert AMS-Vorstand Johannes Kopf im Gespräch mit der APA. Gegenüber dem Vorjahr sei die Zahl jedoch "nur" um rund 8.000 gestiegen. Offenbar dauern die Verfahren so lange, meint der AMS-Chef, das sei aber im Sinne einer schnellen Integration auch nicht gut, weil lange Verfahren die späteren Integrationschancen reduzieren. Möglicherweise hätten auch einige Österreich bereits wieder verlassen.

Das Bundesamt für Asylwesen nehme 500 zusätzliche Mitarbeiter auf, um die Verfahren zu beschleunigen. Auch das AMS sei "gut vorbereitet", betont Kopf. Er rechne damit, dass im letzten Quartal 2016 bzw. Anfang 2017 Flüchtlinge in größerer Zahl zu den AMS-Geschäftsstellen kommen werden - "noch sind sie nicht bei uns". Wie viele Flüchtlinge genau zum AMS kommen werden, könne man schwer sagen: Im Vorjahr haben 95.000 Menschen in Österreich einen Asylantrag gestellt. Wie viele davon Asyl bekommen werden, wie viele im erwerbsfähigen Alter, gesund und nicht zu traumatisiert seien, um einen Job annehmen zu können - all das wisse man noch nicht.

Von der Berechnung einer Arbeitslosenquote ohne Flüchtlinge hält der AMS-Chef nichts. Einerseits seien für ihn die Flüchtlinge, die Arbeit suchen, genauso Kunden wie andere Arbeitssuchende auch. Andererseits schaffen auch Flüchtlinge Wert, wenn etwa durch den Aufwand für ihre Betreuung zusätzliches Wirtschaftswachstum entstehe, bzw. wenn sie am Arbeitsmarkt untergekommen seien. Eine getrennte Arbeitslosenquote anzugeben, die Flüchtlinge also einfach aus der Quote "herauszurechnen", ist für Kopf eine politische Wertung. "Ich sage nicht, die Arbeitslosigkeit sinkt ohne Flüchtlinge - das sind alle unsere Kunden." Ebenso könne man auch sagen, ohne die höhere Arbeitslosigkeit bei Älteren würde die Arbeitslosigkeit nicht steigen.

Kompetenzchecks gehen weiter

Die Kompetenzchecks der vorgemerkten arbeitslosen Flüchtlinge gehen unterdessen weiter, versichert Kopf. Bis Mitte Juli haben 3.200 Flüchtlinge an den Überprüfungen der schulischen und fachlichen Fähigkeiten teilgenommen. An eine Veröffentlichung der Ergebnisse denke das AMS, wenn die Zahl für repräsentative Ergebnisse groß genug sei, vermutlich im Spätherbst. Die Qualifikationen seien je nach Herkunftsland recht unterschiedlich: Während aus dem Iran offenbar vor allem die geistige Elite geflohen sei, hätten die Flüchtlinge aus Afghanistan zu einem Viertel noch nie eine Schule besucht. Die bisherige Bilanz der Bemühungen: Ein Jahr, nachdem Asyl erhalten wurde, haben 10,1 Prozent der Flüchtlinge eine Beschäftigung gefunden.

Generell ist die Arbeitsmarktlage in Österreich seit einiger Zeit von steigenden Arbeitslosen- und Beschäftigtenzahlen geprägt: Es gibt gleichzeitig Rekordarbeitslosigkeit und Rekordbeschäftigung. Für AMS-Vorstand Kopf ein Zeichen, dass die Wirtschaftslage sich besser entwickelt als prognostiziert. Dafür spreche auch der Zuwachs an Vollzeitjobs: Während von 2011 bis 2015 rund 80.000 Vollzeitjobs verloren gingen, wurden im ersten Quartal 2016 42.000 mehr Vollzeitjobs und 36.000 mehr Teilzeitjobs geschaffen. "Die Wirtschaft erholt sich wieder", erläutert Kopf. Statt prognostizierter 30.000 zusätzlicher Arbeitsloser würden es heuer vermutlich 10.000 werden.

Den größten Hebel aller wirtschaftspolitischer Maßnahmen hätte eine Lohnnebenkostensenkung. Arbeit sei in Österreich nach wie vor zu stark belastet. Von der beim letzten Arbeitsmarktpaket beschlossenen Lohnnebenkostensenkung sei erst ein Zehntel bisher in Kraft. Angesprochen auf den vom neuen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) angekündigten "New Deal" begrüßt er die Start-up-Initiative, die Reform der Gewerbeordnung wurde für Herbst angekündigt. "Mir ist alles recht, was die Investitionstätigkeit der Unternehmen erhöht", meint der AMS-Vorstand. Viele Unternehmen hätten das Geld, aber zu wenig Vertrauen in die Wirtschaftsentwicklung. Mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit sei voraussichtlich erst ab 2019 zu rechnen, weil dann die Pensionierung der Baby-Boomer-Generation beginne.

(APA)

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