Bestrafung für Patienten

Ist die SPÖ neuerdings für Zweiklassenmedizin?

Es stimmt, dass es zu wenige Kassenärzte in Österreich gibt, insbesondere zu wenige Fachärzte mit Kassenvertrag. Es stimmt, dass die medizinische Versorgung deshalb nicht flächendeckend gewährleistet ist. Und es stimmt, dass immer mehr Ärzte einen Kassenvertrag ablehnen, weil sie sich durch die strengen Vorgaben in ihrer beruflichen Freiheit eingeschränkt fühlen.

Aber man wird diese Probleme nicht lösen können, indem man die Kassen anhält, keine Wahlarztrechnungen mehr zu refundieren (in der Regel bekommt der Patient 20 bis 40 Euro zurück). SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger meint, dass mit den eingesparten Mitteln neue Kassenstellen geschaffen werden könnten.

So weit die Theorie. Praktisch ist auszuschließen, dass die Kassen dieses Geld dann eins zu eins in Verträge umwandeln. Unter dem Strich würde der Patient also nur in seinen Möglichkeiten beschnitten, weshalb Spindelbergers Vorschlag auch ein wenig zynisch ist. Viele Patienten sind auf Wahlärzte angewiesen, wenn sie nicht wochenlang auf eine Behandlung warten können oder wollen. Aber nicht alle können sich das leisten. Würde man die Refundierung streichen, hätten diese Patienten keine Wahl mehr. Die anderen würden weiter zum Wahlarzt gehen. Das wäre ein ziemlich effizienter Ausbau der Zweiklassenmedizin, also das Gegenteil dessen, was die SPÖ immer wollte.

Falls es sich hier nicht um den New Deal, sondern um eine Einzelmeinung handelt, muss man Spindelberger gratulieren: Es ist ihm gelungen, das nicht vorhandene Sommerloch mit einem Reizthema zu füllen. Und jetzt möge sich die Regierung wieder um eine echte Gesundheitsreform bemühen.

thomas.prior@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2016)

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