Die Probleme der Wiener mit dem U-Bahn-Bau

Eine 3D-Visualisierung zeigt die künftige U2/U5-Station Rathaus
Eine 3D-Visualisierung zeigt die künftige U2/U5-Station Rathaus (c) Wiener Linien (Arch Mossburger /oln)
  • Drucken

Anrainer sind verunsichert, was passiert, wenn die neue U-Bahn-Trasse unter ihrem Wohnhaus verläuft, einige klagen über mangelnde Information. Und: Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist für das Großprojekt nicht vorgesehen.

Wien. Wirklich los mit den Bauarbeiten geht es zwar erst Anfang 2018, so der Plan. Doch die Vorbereitungen auf eines der größten Wiener Infrastrukturprojekte, den Ausbau der U2 und den Neubau der U5, laufen schon. Ab 2023 soll die Linie U5 den Südast der jetzigen Linie U2 von Karlsplatz bis Rathaus übernehmen. Ab dort wird eine Neubaustrecke unter dem neunten Bezirk zum Gürtel bei Michelbeuern und darüber hinaus bis zum Elterleinplatz führen. Die U2 hingegen wird vom Rathaus weg über Neubaugasse, Pilgramgasse und Matzleinsdorfer Platz bis zum Wienerberg verlängert. Ein Überblick über den aktuellen Stand.

1. Was macht diesen U-Bahn-Ausbau so besonders?

Anders als etwa beim Ausbau der U2 in Richtung Aspern, der weitgehend durch (bzw. über) unbesiedeltes Gebiet führte, wird sowohl die geänderte Strecke der U2 (etwa vom Rathaus zur Neubaugasse) als auch die neue Trasse der türkisen U5 unter sehr dicht verbautem innerstädtischem Stadtgebiet errichtet. Das ist nicht nur wegen der großteils älteren Bausubstanz der Häuser sensibel, es sind auch außergewöhnlich viele Bewohner und Geschäftsleute durch Vor- und Bauarbeiten betroffen.

2. Welche Arbeiten werden jetzt schon durchgeführt?

Derzeit finden einige tausend Probebohrungen und Fundamentuntersuchungen statt – direkt entlang der künftigen Trassen, aber auch bis jeweils 30 Meter links und rechts davon. Jedes Haus im Umfeld werde, sagt Wiener-Linien-Sprecherin Johanna Griesmayr, „detailliert und gewissenhaft untersucht“, um sicherzugehen, dass der U-Bahn-Bau keine Schäden anrichten wird. Mit etwas Verspätung – angekündigt war es für Mai – soll im Herbst in der U3-Station Volkstheater auch das Info-Center eröffnen. Hier sollen sich die Wiener über das Projekt informieren können. Im Herbst übernehmen die Wiener Linien schließlich das Großprojekt offiziell von der Stadt.

3. Wird es eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) geben?

Das ist noch unklar. Es mag angesichts der Dimension des Projekts überraschen, aber: Eine UVP – die verpflichtend ist, wenn erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind, etwa beim Bau von Straßen – ist bei einem U-Bahn-Ausbau nicht automatisch vorgeschrieben. Auch bei der laufenden Erweiterung der U1 Richtung Oberlaa gab es keine UVP, so Sprecherin Griesmayr. Über den Sommer (und damit länger als geplant) läuft das Feststellungsverfahren, in dem geklärt wird, ob eine UVP notwendig ist. Die Optik ist dabei nicht die beste: Denn sowohl das Feststellungsverfahren als auch eine mögliche UVP werden von der MA 22 (Umweltschutz) durchgeführt. Und die ressortiert bei Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ). So wie auch die Wiener Linien, für die sie als Öffi-Stadträtin zuständig ist. Eine Ausgangslage, die der Bezirksvorsteherin der Josefstadt, Veronika Mickel (ÖVP), Sorgen bereitet: „Das ist eindeutig eine Unvereinbarkeit. Ich hoffe inständig, dass die MA 22 das trotzdem sehr ordentlich prüft.“

4. Was passiert, wenn es zu keiner UVP kommt?

Kommt die MA 22 zu diesem Schluss, gibt es die Möglichkeit, dass sich die Wiener Linien freiwillig einer UVP unterziehen. Genau darauf hoffen Bezirkschefin Mickel und zahlreiche Anrainer. „Man könnte mit offenen Karten spielen und nachweisen, dass es keine Beeinträchtigungen gibt“, sagt Mickel. Bei den Wiener Linien schließt man eine freiwillige UVP allerdings aus. „Das ist nicht angedacht“, sagt Sprecherin Griesmayr. „Wir halten uns an alle rechtlichen Vorschriften und bauen nicht die erste U-Bahn.“

5. Wie stehen Bezirke und Anrainer zu dem Großprojekt?

Grundsätzlich positiv. Doch kritisiert man etwa in der Josefstadt – wo 200 Hausbesitzer von den künftigen Trassen der U2 und U5 betroffen sind – die fehlende Kommunikationsbereitschaft der Wiener Linien. Bezirksvorsteherin Mickel etwa hat vergeblich versucht, die Wiener Linien dazu zu bringen, sich bei einer Info-Veranstaltung den Fragen der Hausbesitzer zu stellen. In Neubau sieht Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) hingegen keine Probleme. Mit den Anrainern von Kirchen- und Lindengasse habe es im Juni einen Informationstermin gegeben, im September ist auch ein Termin mit den Geschäftsleuten geplant.

Beim Zentralverband Haus und Eigentum, der durch den Standort an der Landesgerichtsstraße auch selbst betroffen ist, spricht man angesichts „vielfältiger Probleme“ von verunsicherten Hausbesitzern an der Trasse, da diese sich nicht ausreichend informiert fühlen, sagt Präsident Friedrich Noszek. So sei etwa offen, ob sich Hausbesitzer bei den Wiener Linien schadlos halten können, wenn Mieter wegen der Bauarbeiten eine Mietzinsreduzierung fordern. Auf mehr Infos hofft auch Anrainerin Susanne Tichy-Scherlacher, deren Haus über der neuen U2-Trasse liegt. „Keiner will den U-Bahn-Ausbau verhindern, aber wir fühlen uns nicht transparent informiert, das steigert die Unsicherheit.“

So blieben bei Besichtigungsterminen für Probebohrungen und Fundamentuntersuchungen Mitarbeiter weiterhin konkrete Informationen, auch über die genaue Trassenführung, schuldig. Bei den Wiener Linien betont man, dass der Dialog mit den Anrainern wichtig sei, es habe auch schon Info-Veranstaltungen gegeben. Man könne aber zweienhalb Jahre vor Baubeginn nicht alles „bis ins letzte Detail“ beantworten. Bei Fragen gibt es eine Mailadresse (u2u5@wienerlinien.at), spätestens zu Baubeginn sind auch eigene Ombudsleute im Einsatz. Am Alsergrund wiederum sind laut Bezirksvorsteherin Martina Malyar (SPÖ) keine Beschwerden von Anrainern bekannt. Hier gibt es aber andere Probleme: die technischen Geräte der Uni-Departments, die sensibel auf Erschütterungen und elektromagnetische Felder reagieren. Über mögliche Schutzmaßnahmen werde aber bereits mit den Wiener Linien verhandelt.

Wiener Linien / Die Presse

6. Was bedeutet der Ausbau für die Geschäftsleute?

Anders als beim U3-Ausbau, bei dem die gesamte Mariahilfer Straße einem großen Loch ähnelte, wird die Umgebung bei der U2-Verlängerung nicht besonders beeinträchtigt. Die neue Röhre wird komplett unterirdisch gebohrt, an der Oberfläche wird es nur an den Ausgängen Baustellen geben. Einer davon soll in der Kirchengasse entstehen. Bei einem Termin im September will Neubaus Bezirksvorsteher Blimlinger mit den Geschäftsleuten darüber sprechen, wie man die Baustellenzeit kreativ überbrücken kann. Einzelne Ideen sind schon aufgetaucht – unter anderem ein Fly-over, ähnlich wie bei Baustellen auf der Tangente. Und diese Brückenkonstruktion, so eine Fantasie, könnte man ja bespielen.

In der Neubaugasse ist man vorsichtig optimistisch, dass die Bauarbeiten keine größeren Probleme bringen werden. Details, wann wo gegraben werde, „kennen wir noch nicht, aber wir freuen uns auf den besseren U-Bahn-Anschluss“, sagt Werner Sopper vom Papiergeschäft Mastnak, langjähriger Sprecher der Neubaugasse. Durch die Neugestaltung der Mariahilfer Straße habe man viele kaufkräftige Kunden verloren. Ob die dank U2-Anbindung zurückkommen, wisse man nicht, sagt Sopper, „aber wir leben von der Hoffnung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 5. August 2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Mit neuen U-Bahnen kommen neue Trendviertel

Entlang der U5 und der verlängerten U1 entstehen neue Inviertel, alte Bürogebäude sollen sich in Wohnungen verwandeln, und die Abstellkammer erlebt eine Renaissance. Die Trends des Wiener Wohnungsmarkts.
Die U2 wird bei der Station Rathaus unter der künftigen U5 queren.
Wien

U5 fährt frühestens 2024

Bisher war der Start 2023 angepeilt. Der Bau der vollautomatisch fahrenden Linie soll 2018 starten, während der Arbeiten kommt es zu einigen Einschränkungen im U-Bahn-Verkehr.
So soll die U-Bahnstation Pilgramgasse aussehen, wenn auch die U2 hier Halt macht. (Visualisierung)
Wien

U2 und U5: Grünes Licht für die U-Bahnerweiterung

Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Beschwerde von Anrainern zurückgewiesen: Der Ausbau der Wiener U-Bahnlinie U2 und der Neubau der U5 werden nun ohne Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden.
Österreich

Mit neuen U-Bahnen kommen neue Trendviertel

Entlang der U5 und der verlängerten U1 entstehen neue Inviertel, alte Bürogebäude sollen sich in Wohnungen verwandeln, und die Abstellkammer erlebt eine Renaissance. Die Trends des Wiener Wohnungsmarkts.
Rendering / Tiefenschnitt für den Bereich Pilgramgasse
Wien

U-Bahn-Ausbau ohne Umweltverträglichkeitsprüfung

Beim Neubau der U-Bahn-Linie U5 und beim Ausbau der U2 wird es keine Umweltverträglichkeitsprüfung geben. Anrainer könnten dies allerdings beeinspruchen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.