Sozialgeld: Mikl-Leitner stellt Ultimatum an den Bund

Zurück in Niederösterreich: Johanna Mikl-Leitner verlangt härtere Gangart bei der Auszahlung der Mindestsicherung ab 2017.
Zurück in Niederösterreich: Johanna Mikl-Leitner verlangt härtere Gangart bei der Auszahlung der Mindestsicherung ab 2017. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Sollte es bis Herbst keine Lösung für ganz Österreich geben, "werden wir in Niederösterreich einen eigenen Weg gehen", kündigt die Ex-Innenministerin an. Und sie will die Verhandlungen über Visa für Türken abbrechen.

Wien. Vom täglichen Zeitaufwand besteht zwischen ihrer jetzigen Funktion als Landeshauptmann-Stellvertreterin in Niederösterreich und dem früheren Posten als Innenministerin kaum ein Unterschied. Im Hinblick auf den Druck und den Umstand, als Innenministerin ständig von einer Minute auf die andere mit brisanten Entwicklungen konfrontiert zu sein und rasch Entscheidungen treffen zu müssen, schon.

Vor knapp vier Monaten ist Johanna Mikl-Leitner nach fünf Jahren im Ressort in der Wiener Herrengasse in die niederösterreichische Landesregierung nach St. Pölten übersiedelt. „In Niederösterreich bist du einfach näher bei den Menschen, du bist viel unmittelbarer dabei“, schildert die ÖVP-Politikerin im Gespräch mit der „Presse“. Sie fügt aber gleich hinzu: „Egal, wo und wann heute etwas auf der Welt passiert, hat das Auswirkungen auf ganz Europa, auf Österreich, Niederösterreich und die Gemeinden.“

„Andere mit Kopf im Sand“

Die frühere Anspannung, die ihr als Innenministerin trotz ihres fröhlichen Gemüts oft ins Gesicht geschrieben war, ist in diesen Augusttagen gewichen. Das ändert freilich nichts daran, dass Mikl-Leitner in Niederösterreich ihre Marschroute mit derselben Konsequenz verfolgt. „Meine politische Herangehensweise ist und bleibt die gleiche“, betont die Stellvertreterin ihres politischen Ziehvaters, Landeshauptmann Erwin Pröll. Das bedeute, „Herausforderungen rechtzeitig zu erkennen, wenn andere vielleicht noch den Kopf in den Sand stecken“.

Damit ist Mikl-Leitner bei der Mindestsicherung, weil dieses Thema für die Menschen neben Sicherheit, Flüchtlingen und Arbeitsmarktlage im Vordergrund stehe: Es könne nicht sein, dass es keinen Unterschied zwischen der Höhe eines Einkommens, das mit der eigenen Leistung erarbeitet wird, und der Höhe der Mindestsicherung gebe. So argumentieren bundesweit auch viele andere ÖVP-Politiker. Ihre Kollegin in der Landesregierung Barbara Schwarz hat jedoch als einzige ÖVP-Soziallandesrätin im Reigen der Bundesländer die Zustimmung zu einer Bund-Länder-Vereinbarung über die Neuregelung der Mindestsicherung mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) verweigert. Der Grund dafür ist das SPÖ-Nein zur Einführung eines 1500-Euro-Limits pro Monat für Familien.

Mikl-Leitner legt ein Schäuferl in Richtung Bund und Stöger nach: „Entweder es gibt bald eine Lösung für ganz Österreich, oder wir werden in Niederösterreich einen eigenen Weg gehen.“ Auf Nachfrage präzisiert sie, bis Jahresende müsse es eine Lösung geben, sonst werde das Land mit Anfang 2017 seine „eigenen Richtlinien fixieren“.

Auch Bonus als Anreiz

Dazu zählt auch die Deckelung der Mindestsicherung mit 1500 Euro. Das Paket umfasse ebenso einen Bonus als „Anreiz“ für Bezieher der Mindestsicherung. Diese können noch sechs Monate das Sozialgeld bis zu einer gewissen Gesamtsumme beziehen, damit ihr Einkommen nicht niedriger als die Mindestsicherung ausfällt. Umgekehrt führe kein Weg an „Kürzungen für jene, die die Mindestsicherung als Hängematte benützen“, vorbei.

Was Sicherheit und Flüchtlinge betrifft, so macht die Ex-Innenministerin kein Hehl aus ihrer Genugtuung über heftig angefeindete Gesetze – Verschärfung des Asylrechts, Staatsschutzgesetz oder die Flüchtlingsobergrenze. Da werde sie im Nachhinein „täglich bestätigt“. Und: „Als Politikerin muss man Antworten geben, die anfangs nicht immer allen recht sind, die aber richtig sind. Das Richtige wird sich immer durchsetzen.“

Zur Visaerteilung für Türken ab Herbst hält sie mit ihrer Meinung auch jetzt nicht hinter dem Berg: „So wie derzeit die Situation in der Türkei ist, müsste man jede Verhandlung abbrechen.“

Zugeknöpfter gibt sie sich bei der Frage, ob Pröll 2018 erneut bei der Landtagswahl kandidieren solle. „Ich habe mich nie mit Spekulationen beschäftigt, sondern damit, wie wir das Land entwickeln.“

ZUR PERSON

Johanna Mikl-Leitner. Die 52-jährige ÖVP-Politikerin ist heuer im April nach einem Überraschungscoup als Landeshauptmann-Stellvertreterin in die niederösterreichische Landesregierung zurückgekehrt. Die Wirtschaftspädagogin und zweifache Mutter war davor ab 2011 Innenministerin und ÖAAB-Bundeschefin und bereits ab 2003 Landesrätin in St. Pölten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2016)

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