Wenn Parteien auf der Medienorgel kakofonieren

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Das größte Problem des ORF ist sein Eigentümer. Öffentlich-rechtliches Fernsehen hat möglicherweise Zukunft, parteipolitisch dominiertes definitiv nicht.

Ein Großkonzern hat den Vorstandsvorsitz neu zu besetzen. Beworben haben sich der bisherige Amtsinhaber und sein Finanzchef. Also zwei Kandidaten, die aus dem Unternehmen kommen und dessen Geschick schon bisher maßgeblich mitzuverantworten hatten.

Und jetzt kommt's: Die beiden Kandidaten zelebrieren ihre Bewerbung in Form eines öffentlichen Wahlkampfs, zerlegen in medialen Auftritten das Konzept des jeweils anderen und legen dabei die aktuellen Schwachstellen des Unternehmens gnadenlos öffentlich dar, indem sie genüsslich auswalzen, was dringend verbesserungsbedürftig ist (also bisher eher verbockt wurde). Und einzelne Mitglieder des in „Freundeskreisen“ organisierten Aufsichtsrats zündeln zum Schaden des Unternehmens noch eifrig mit, indem sie etwa in Zeitungsinterviews erklären, wer mit welchem Konzept ihrer Meinung nach den Karren endgültig „an die Wand fahren“ werde.

Das gibt es nicht, sagen Sie? So kann man kein Unternehmen führen? Der Aufsichtsrat würde in so einem Fall zum Schutz des Unternehmens sofort hineinfahren, beziehungsweise der alarmierte Eigentümer würde sich Gedanken über die Qualifikation und Zusammensetzung seines Aufsichtsrats zu machen beginnen?

Tja, in einem normalen Unternehmen wäre das wohl so. Wir reden hier aber vom völlig durchpolitisierten ORF, dem mit Abstand größten Medienunternehmen des Landes. Und das liefert im Vorfeld der für kommenden Dienstag angesetzten Kür des neuen Generaldirektors ein klassisches Argumentarium dafür, wieso der Staat als Eigentümer von Unternehmen völlig ungeeignet ist.

Die öffentliche Zerfleischung der beiden Kandidaten mittels Unternehmenskonzepten war jedenfalls reichlich unnötig, weil diese Konzepte ohnehin eine, vorsichtig gesagt, unterbelichtete Rolle bei der Chefwahl spielen werden. Wer jedenfalls Haus und Hof darauf verwettet, dass der rote Freundeskreis am Dienstag ung'schaut den roten und der schwarze Freundeskreis ohne großes Zögern den schwarzen Kandidaten küren wird, wird nur deshalb nicht reich, weil er keinen vernünftigen Menschen finden wird, der dagegenhält. Und mit den paar restlichen, ebenfalls überwiegend parteipolitisch punzierten Stiftungsräten (deren Funktion ungefähr der von Aufsichtsräten in einer AG entspricht) wird im Hintergrund ohnehin schon heftigst kuhgehandelt. Schließlich hat man ja auch als Opposition den einen oder anderen Personal- oder sonstigen Wunsch.


Kurzum: Das größte Problem des ORF ist sein Eigentümer. Die völlige Verparteipolitisierung macht ihn zum getreuen Abbild der Republik samt deren Problemen mit dem vermurksten Föderalismus. Denn auf der größten Medienorgel des Landes kakofonieren ja nicht nur die Bundesparteien, sondern auch noch die Länder und Sozialpartner. Es ist einfach tiefstes 20. Jahrhundert, wenn Chefs von Landesstudios nur mit Zustimmung des jeweiligen Landeshauptmanns bestellt werden können. Und mit dem Durchgriff von Parteisekretariaten auf die Vergabe von Managementpositionen haben wir schon in der unrühmlich abgesoffenen verstaatlichten Industrie einschlägige Erfahrungen gemacht. Ganz ungefährlich ist es auch nicht: Bei absoluten Mehrheiten lässt sich ein Politsender so sehr schnell zum Propagandainstrument umbauen.

Die Kollegen vom ORF, die unter diesen Bedingungen hervorragende Arbeit leisten, sehen das offenbar ähnlich: Erst neulich hat der Redakteursrat die Auflösung der parteipolitischen Freundeskreise, das Ende der parteipolitischen Beschickung des Stiftungsrats und dessen drastische Verkleinerung gefordert. Entpolitisierung eben.

In der derzeitigen Eigentümerstruktur ist das aber Illusion. Man kann, da gibt es Beispiele, öffentlich-rechtliches Fernsehen auch in anderen Organisationsformen machen. Und ein zumindest teilweise privater Eigentümer würde dem Unternehmen auch nicht schaden. Möglich, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen Zukunft hat. Parteipolitisch dominiertes hat es in einer freien Gesellschaft aber definitiv nicht.

 

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)


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