Die Kunst, Nein zu sagen

Yes
Auf eine Bitte oder Aufforderung Nein zu sagen fällt vielen Menschen schwer – aus Angst davor, was die anderen denken könnten.Alix Minde / PhotoAlto / picturedesk.com
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Aus Angst davor, andere zu enttäuschen, sagt man allzu oft Ja, ohne dass man es will. Die Autorin Sarah Knight rät dazu, in solchen Situationen einfach "Scheiß darauf" zu sagen.

„Sorry seems to be the hardest word“, sang Elton John. Mag sein, doch es ist nur die halbe Wahrheit. Kommt doch die Entschuldigung in der Regel erst, nachdem etwas passiert ist. Es gibt schon vorher ein Wort, das vielen Menschen unglaublich schwerfällt. Um bei Elton John zu bleiben und ohne Rücksicht auf das Versmaß, wäre dann „Nein“ das Wort, mit dem wir uns so unglaublich schwertun. Nicht damit, einer Aussage zu widersprechen, das geht recht gut. Auch nicht, jemanden im Sinn von „lass das“ zum Beenden einer Handlung aufzufordern. Und erst recht nicht damit, seine emotionale Befindlichkeit auszudrücken („Nein, das kann nicht wahr sein!“). Sondern damit, einer Bitte oder Aufforderung zu widersprechen.

Das Nein in einer solchen Situation trägt auch immer ein potenzielles Enttäuschen des Gegenübers in sich. Den Beigeschmack des Widerwillens, der Faulheit. Empfindungen, die negativ aufgefasst werden können. Gerade bei scheinbaren Kleinigkeiten fällt es besonders schwer, Nein zu sagen. Was ist denn schon so schwer daran, das kann doch maximal zehn Minuten dauern, worum man da gebeten wurde? Ja, eh. Nur summieren sich die vielen Zehn-Minuten-Jas schnell auf ein paar Stunden. Es bleibt am Ende das Gefühl, dass man vielleicht doch ein paar Mal Nein hätte sagen sollen.

Sarah Knight bietet dafür eine simple Lösung an: darauf scheißen. Es ist eine freie deutsche Übersetzung des Slogans, den die amerikanische Autorin zum Motto ihres Antiratgebers gemacht hat: „Fuck it“. Vielleicht nicht ganz konsequent, weil der Titel der deutschsprachigen Version mit „Not Sorry“ dann doch ein wenig sanfter ausfällt – vermutlich hat ein deutschsprachiger Lektor ja einfach Nein gesagt. Abseits des Covers ist im Buch allerdings recht häufig zu lesen, worauf man alles scheißen sollte. Etwa auf alles, was nur Frust bringt. Nur dann, wenn etwas Lust bringt, so ihre These, sollte man Ja sagen.

Es sind Handlungsanleitungen, wie sie in einem klassischen Ratgeberbuch eben zu finden sind. Mit direkter Anrede, vielen Imperativen und gelegentlichen Versalienorgien. Inhaltlich dreht es sich darum, sich darauf zu besinnen, was man tun will. Nicht mehr nur Dinge zu tun, die man tun muss. Und dabei mehr auf sich selbst zu achten, und nicht auf die anderen. So wie man auch im Flugzeug zuerst die eigene Sauerstoffmaske anlegen soll, bevor man anderen hilft, wie sie es in einem Vergleich beschreibt. Dazu gehört eben auch, nicht zu allem Ja zu sagen.


Ja zu den falschen Dingen

Von einem Ja-Budget spricht Knight. Dass man nur eine begrenzte Anzahl an Jas zur Verfügung hat – sagt man zu den falschen Dingen Ja, ist der Vorrat schnell aufgebraucht. So weit, so einleuchtend. Nur braucht es dann eben eine Priorisierung, zu welchen Dingen man überhaupt Ja sagen will – und zu welchen nicht. Die Gefahr, damit womöglich andere Menschen zu enttäuschen – und das ist ja oft die Triebfeder des Jasagens –, ist damit ja noch immer da. Auch hier greift die Autorin zu ihrer (zumindest im Deutschen) anal-exkrementellen Lebensweisheit. Scham und Schuldgefühle, was die Menschen über einen denken, hätten ja nichts damit zu tun, dass es falsch ist, was man tut.

Immerhin schränkt sie aber auch ein, dass es nicht sinnvoll ist, ihr Konzept eins zu eins in eine Reaktion auf eine Frage oder Bitte umzusetzen. Ehrlichkeit und Höflichkeit seien hier besonders wichtig. Indem man etwa keine Ausreden sucht, warum man nicht zum Karaokeabend mit den Firmenkollegen gehen möchte. Sondern einfach feststellt, dass man nicht viel mit Singabenden anfangen kann. Was die Höflichkeit angeht: Man sollte die Verachtung für eine solche Abendgestaltung in diesem Moment nicht allzu offenkundig machen. „Sei kein Arschloch“ ist auch ein wichtiges Element der „Not Sorry“-Methode. Vergraulen will man damit ja auch niemanden.

Nein zu sagen, meint Knight, kann man üben. Für den Anfang einmal zu Dingen, die man nicht braucht, oder für die man sich nicht interessiert. Die kann man schließlich nicht enttäuschen. Als nächsten Schritt schlägt die Autorin die Arbeit vor – etwa, indem man Meetings, die nichts bringen, einfach auslässt. Ist ein Fernbleiben nicht möglich, rät sie dazu, sich zumindest keine Notizen zu machen. „Haben Sie jemals die Notizen, die Sie sich während eines Meetings gemacht haben, hinterher noch einmal angeschaut?“

Ähnliche Tipps verteilt sie schließlich auch noch in den Bereichen Freunde, Bekannte, Fremde und am Ende in der eigenen Familie. Da sei es am schwierigsten, weil man sich gegenüber Verwandten doch auch pflichtschuldig fühlt. Mancher Familienfeier, meint man, kann man einfach nicht entkommen. Aber auch hier rät Knight dazu, das Pflichtgefühl nicht zu wichtig zu nehmen, nur, weil diese Menschen dieselbe DNA haben.

Natürlich, die Gefahr ist da, dass man mit dieser Attitüde gelegentlich als zickig, vielleicht gar als soziopathisch gesehen wird. Ob ein Team, etwa im Beruf, dann auch funktioniert, wenn alle darauf scheißen, darauf liefert Knight keine Antwort. Vermutlich klappt das nur, solang es genügend andere gibt, die dann auch die unangenehmen Aufgaben übernehmen, zu denen die Nein-Sager keine Lust haben. Jene, die es nicht schaffen, Nein zu sagen. Wäre spannend, wie lang ein System hält, wenn sie dann auch alle „Scheiß darauf“ sagen.

Buchtipp

„Not Sorry. Vergeuden Sie Ihr Leben nicht mit Leuten und Dingen, auf die Sie keine Lust haben.“
Sarah Knight, Ullstein Extra, 15,50 Euro.

Ab Freitag, 12.August, erhältlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)


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