Provinzbonzen gefeuert: Peking will Ruhe vor dem Fest

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Nach den jüngsten Unruhen in Chinas Uiguren-Provinz mussten zwei hohe Funktionäre abtreten. Seit Jahren beschwört die Parteiführung die "harmonische Gesellschaft" und die "soziale Stabilität".

PEKING. Chinas KP hat am Wochenende auf die neu aufgeflammten Unruhen in Urumqi reagiert und zwei hohe kommunistische Parteifunktionäre entlassen: den Parteichef der Hauptstadt, Li Zhi, sowie den Polizeichef der Autonomen Region Xinjiang, Liu Yaohua. Beide werden durch Funktionäre ersetzt, die bereits jahrelange politische Erfahrungen in der Region gesammelt haben.

Der neue KP-Chef von Urumqi ist Zhu Hailung, der bisher in der Partei für den Justizbereich von Xinjiang verantwortlich war. Die regionale Polizei kommandiert künftig ein ehemaliger KP-Kreisfunktionär.

Die ungewöhnlich schnelle Reaktion auf die Proteste der vergangenen Tage zeigt, wie besorgt die chinesische KP-Führung wenige Tage vor der geplanten großen Pekinger Militärparade zum 60. Jahrestag der Staatsgründung am 1. Oktober ist: Sie will – koste es, was es wolle – verhindern, dass ein Schatten auf die bombastischen Feiern in der Hauptstadt fällt.

Großer Unmut gegen KP-Bonzen

Seit Jahren beschwört die Parteiführung die „harmonische Gesellschaft“ und die „soziale Stabilität“. Zehntausende Han-Chinesen, die bisher als loyal gegenüber den Behörden von Xinjiang galten, haben allerdings seit Mittwoch gegen die mächtige Parteiführung protestiert und ihr vorgeworfen, nicht genug für die Sicherheit der Bürger zu tun.

Mit einem massiven Polizeiaufgebot bemühten sich die Behörden am Wochenende, neue Gewalttaten zwischen Han-Chinesen und Uiguren in der 2,5-Millionen-Stadt Urumqi zu verhindern. Bei den Protesten vergangene Woche kamen nach offiziellen Angaben fünf Menschen ums Leben, darunter zwei „unschuldige Passanten“.

Den Unmut gegen die KP hatten zuletzt Berichte über eine Serie mysteriöser Angriffe mit Injektionsnadeln auf Passanten erregt. Die Regierung machte „uigurische Separatisten“ für die Attacken verantwortlich. Es gebe bisher keinen Hinweis darauf, dass die Opfer durch „radioaktive Substanzen, Anthrax, giftige Chemikalien, Mikroorganismen, Hepatitis A, Hepatitis B oder HIV“ infiziert worden seien, erklärte der Militärmediziner Qian Jun nun vor Journalisten.

Nadelattacken oder Mückenstiche?

Experten warnten die Bevölkerung zugleich davor, in Panik zu verfallen, und erklärten, einige der angeblichen Opfer hätten nur „Mückenstiche“ gehabt. Bis Donnerstag ließen sich nach Berichten der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua 531 Personen in Krankenhäusern untersuchen. Nur bei einem Teil von ihnen – 106 Personen – habe man „deutliche Zeichen von Nadelstichen“ entdeckt. Hinter den Spritzenangriffen verbergen sich in einigen Fällen offenbar gewöhnliche Drogen- und Raubdelikte.

Wie ernst die Berichte über die Nadelattacken auch zu nehmen sind: Sie zeigen, wie stark die Bürger von Urumqi seit den blutigen Unruhen im Juli verunsichert sind. Damals kamen nach amtlichen Angaben 197 Menschen um. Der nun gefeuerte KP-Chef der Stadt machte „separatistische“ Uiguren für die Taten verantwortlich.

Unklar ist, ob die Entlassungen die Bürger besänftigen werden. Unter Han-Chinesen und Uiguren herrscht große Unzufriedenheit über den seit 15 Jahren herrschenden KP-Oberen der Region Xinjiang, Wang Lequan. Er gilt als machtgierig und korrupt. Ob auch er eines Tages stürzen wird, bleibt ungewiss. Fest steht, dass ihn die Proteste vorerst gerettet haben. Denn Pekings KP will nicht den Eindruck aufkommen lassen, sie gebe dem Druck der Straße nach.

AUF EINEN BLICK

In Urumqi, Hauptstadt der Westprovinz Xinjiang, haben Berichte über Angriffe mit infizierten Nadeln vergangene Woche zu Unruhen geführt, fünf Menschen sind dabei nach offiziellen Angaben getötet worden.

Die Proteste richteten sich auch gegen die kommunistische Führung der Provinz, die nach Meinung der Demonstranten zu wenig für die Sicherheit der Bürger unternimmt. Schwere Krawalle zwischen Han-Chinesen und Uiguren haben bereits im Juli fast 200 Menschenleben gefordert. Am Wochenende wurden der KP-Chef von Urumqi und der Polizeichef von Xinjiang gefeuert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2009)

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