Japan: Kaiser Akihito bittet um Abdankung

Seit 1989 sitzt der gesundheitlich angeschlagene Kaiser Akihito (hier mit Kaiserin Michiko) auf dem Chrysanthementhron.
Seit 1989 sitzt der gesundheitlich angeschlagene Kaiser Akihito (hier mit Kaiserin Michiko) auf dem Chrysanthementhron.(c) REUTERS (© POOL New / Reuters)
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Dem 82-jährigen Tenno fehlt die Kraft, seine Aufgaben als Staatssymbol zu erfüllen. Doch ein Rücktritt ist gesetzlich nicht vorgesehen. Auch die Nachfolgefrage ist ungeklärt.

Tokio. In der ältesten Erbmonarchie der Welt geschieht etwas Ungeheuerliches: Nach 28 Jahren Regentschaft bittet Kaiser Akihito dringend um Ablösung. Am gestrigen Montag wandte er sich mit einer Videobotschaft an das Volk. „Ich fürchte, dass es für mich schwierig wird, meine Aufgaben als Symbol des Staates mit voller Kraft zu erfüllen, wie ich das bisher getan habe.“ Seine körperliche Verfassung habe sich verschlechtert, seine Kraft lasse nach, und zwei Operationen am Herz und gegen Prostatakrebs hätten tiefe Spuren hinterlassen. Höfisch vage beklagte der Tenno, der den Chrysanthementhron am 7. Jänner 1989 bestiegen hatte, „verschiedene Einschränkungen“ der persönlichen Fitness.

Es ist erst das zweite Mal, dass sich Japans 125. Kaiser per Video direkt an seine Untertanen wendet – das erste Mal hatte Akihito nach der Erdbeben- und Atomkatastrophe 2011 gesprochen. Schon allein dieser ungewöhnliche Umstand zeigt, wie ernst und dringend es dem Monarchen ist, Amt und Würde an einen Thronfolger weiterzureichen.

Allerdings ist Japan auf einen Thronwechsel nicht vorbereitet. Noch Mitte Juli hatte der kaiserliche Vizehofmarschall Shinichiro Yamamoto Medienberichte über den Wunsch nach Abdankung als „absolut unwahr“ dementiert. Und auch die Politik ist ratlos. Premier Shinzō Abe fand für den Appell des Kaisers am Montag nur die dürren Worte, er nehme diese Äußerungen ernst und werde darauf reagieren. „Angesichts der Pflichten des Tenno, seines Alters und der Last seiner Funktion müssen wir schauen, was wir tun können.“

Verfassungsmehrheit benötigt

Die Krux ist: Ein Kaiser sitzt in Japan auf dem Thron, bis er stirbt. Das war immer so in der jüngeren Geschichte dieser angeblich 2700 Jahre währenden Dynastie, und es steht auch heute nicht anders in der Verfassung. Der Reichstag in Tokio kann das nur mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern ändern. Aber das dürfte ein schwieriger Akt werden, denn vor allem in den nationalkonservativen Kreisen der Abe-Partei fürchtet man auf längere Sicht um die Stabilität des imperialen Systems an sich. Staatsrechtler sehen das Hofrecht als komplexe Einheit. Eine punktuelle Änderung könne Konfusionen im Nachfolgesystem und im Status der kaiserlichen Familie provozieren. In monarchistischen Kreisen herrscht Uneinigkeit, wer der richtige Thronfolger sei und Japan angemessen im In- und Ausland repräsentieren könne.

Nach den traditionellen Regeln ist der natürliche Thronerbe Kronprinz Naruhito. Der 56-Jährige hat in jüngster Zeit schon viele zweitrangige protokollarische Pflichten des Kaisers übernommen. Aber es ist kein Geheimnis, dass dessen persönliches Verhältnis zu seinem Vater gestört ist. Dabei geht es um Naruhitos Ehefrau, Kronprinzessin Masako. Die 53-jährige Diplomatentochter konnte sich nie in die höfischen Sitten einpassen und leidet unter Depressionen – auch, weil sie keinen männlichen Erben zur Welt gebracht hat. Die 15-jährige Tochter, Aiko, ist von der Thronfolge ausgeschlossen. Naruhitos jüngerer Bruder, Akishino, bisher in der Thronfolge auf Platz zwei, hat immer wieder durchblicken lassen, dass seine Familie besser geeignet wäre, die Tradition fortzusetzen. Mit dem heute neunjährigen Sohn, Hisahito, kann er nämlich auf einen männlichen Erben verweisen.

Der beim Volk äußerst populäre Akihito ist der Erste, der als Mensch Monarch wurde, nachdem sein Vater und Vorgänger, der Kriegskaiser Hirohito, auf Druck der US-Besatzer auf seine „Göttlichkeit“ verzichten musste. Seither ist der Tenno nicht mehr Oberhaupt, sondern nur noch Symbol des Staates und der Einheit des Volkes. Politische Einflussnahme ist ihm untersagt, deshalb konnte Akihito die Worte Abdankung oder Thronfolge auch nicht direkt aus- und ansprechen.

Es gäbe aber auch noch Konsequenzen praktischer Art. Alle amtlichen Dokumente zählen nicht vorrangig in der gregorianischen Weise, sondern nach Kaiserjahren. Das bedeutet beim Tenno-Wechsel eine gigantische Umstellung. Auch wenn heute in Umfragen 85 Prozent der Japaner ihrem Kaiser die Abdankung gönnen würden, ist es möglich, dass sich die Regierung aufgrund der Komplexität dieser Staatsaffäre kaum beeilen wird, den Wunsch des Kaisers zu erfüllen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2016)

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