Peking droht London wegen AKW-Moratoriums

Das südenglische AKW Hinkley Point sorgt nun auch für eine diplomatische Krise zwischen Großbritannien und China.
Das südenglische AKW Hinkley Point sorgt nun auch für eine diplomatische Krise zwischen Großbritannien und China. (c) REUTERS (DARREN STAPLES)
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Die chinesische Regierung sieht sich von Großbritannien unfair behandelt. Die Beziehung zwischen den Ländern sei an einem kritischen Punkt angelangt.

Wien. Es war eine Entscheidung, mit der die neue britische Regierung sowohl den französischen Energiekonzern EdF als auch China kalt erwischte: Am Freitag vor zwei Wochen erklärte Londons Wirtschaftsminister, Greg Clark, dass die neue Regierung den Bau von zwei neuen Reaktorblöcken im Kernkraftwerk Hinkley Point in Südwestengland noch einmal überdenken wolle.

Geschehen ist dies nur Stunden bevor der Vertrag zwischen EdF, der britischen Regierung und dem chinesischen Staatsunternehmen China General Nuclear Power Corporation hätte unterschrieben werden sollen. Ein Vertrag, der zuvor bereits jahrelang verhandelt und von der nach dem Brexit-Votum abgetretenen Regierung unter David Cameron auch gegen sämtliche Kritik – wie etwa von Umweltschutzorganisationen – verteidigt worden war.

Gründe für die neuerliche Verschiebung nannte Clark nicht. Allgemein wurde daher angenommen, dass es vor allem um wirtschaftliche Faktoren ging. Denn Hinkley Point wird laut Prognosen für die britischen Steuerzahler teuer werden. Die Regierung Cameron hatte dem Hauptbetreiber EdF nämlich zugesichert, pro Megawattstunde 92,50 Pfund (108,30 Euro) zu bezahlen – und das für die nächsten 35 Jahre. An den Strombörsen liegt der Preis aktuell gerade einmal bei der Hälfte. Über die Vertragslaufzeit würden so Subventionen in Höhe von rund 30 Mrd. Pfund zusammenkommen, monieren Kritiker schon länger.

Allerdings dürften die finanziellen Mehrkosten nicht allein ausschlaggebend für das Moratorium sein, das laut britischen Medienberichten direkt von der neuen Premierministerin, Theresa May, angeordnet worden ist. Vielmehr geht es auch um die Sorge vor zu großem Einfluss eines chinesischen Staatsunternehmens auf heikle britische Infrastruktur. Denn die China General Nuclear Power Corporation soll mit rund einem Drittel an dem Projekt beteiligt werden.

Pekings Hand am Lichtschalter

Und Mays Stabschef, Nick Timothy, schrieb erst im vergangenen Herbst in einem Gastbeitrag für ein konservatives Onlinemedium: „Sicherheitsexperten befürchten, dass die Chinesen die Computersysteme so manipulieren könnten, dass sie Großbritanniens Energieproduktion herunterfahren könnten.“

Ein Vorwurf, der sich inzwischen bis nach Peking durchgesprochen hat und dort für gehörige Verärgerung sorgt. So erklärte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua bereits in der Vorwoche, dass China zwar auf vernünftige Entscheidungen einer rationalen britischen Regierung warte, aber keine „Vorwürfe gegen seinen Willen zu einer Win-win-Kooperation tolerieren“ könne. Die „goldene Ära“ zwischen China und Großbritannien könnte dadurch beendet werden.

Am Dienstag legte der chinesische Botschafter in London dann noch ein Scherflein nach. In einem Gastkommentar in der „Financial Times“ schrieb er: „Die Beziehung zwischen China und Großbritannien ist an einem kritischen historischen Punkt angelangt.“ Gegenseitiges Vertrauen müsse nun noch mehr bewahrt werden als je zuvor. Nur wenn beide Seiten das bisher Erreichte hegten und pflegten, könnte die Zusammenarbeit der beiden Länder so stark bleiben wie bisher, so die für einen Diplomaten ungewohnt deutliche öffentliche Drohung.

In London dürfte man sich des Ernstes der Lage bewusst sein. Allerdings ist fraglich, ob sich May durch öffentliche Drohungen wird beeinflussen lassen. Sie soll nämlich bereits in ihrer Zeit als Innenministerin durch große Skepsis gegenüber China aufgefallen sein. Grund dafür war nicht zuletzt ihre Verantwortung für den Inlandsgeheimdienst MI5, der laut ihrem Stabschef Timothy der festen Überzeugung ist, dass „chinesische Geheimdienste weiterhin gegen britische Interessen arbeiten.“ (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2016)

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