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Türkei: "EU hat Test nach Putschversuch nicht bestanden"

Mavlüt Cavusoglu wirft dem Westen vor, an der Vertrauenskrise selbst schuld zu sein.
Mavlüt Cavusoglu wirft dem Westen vor, an der Vertrauenskrise selbst schuld zu sein.APA/AFP/CYRIL NDEGEYA
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Außenminister Cavusoglu ist erbost über Kritik aus dem Westen, er sieht das Ansehen der EU in der Türkei schwer beschädigt. Österreichs Kanzler Kern bleibt bei seiner Kritik.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat der EU vorgeworfen, schwere Fehler bei der Reaktion auf den Putschversuch in seinem Land gemacht zu haben. In der Bevölkerung sei die Unterstützung für eine EU-Mitgliedschaft von 50 Prozent auf jetzt wohl nur noch 20 Prozent gefallen, sagte Cavusoglu der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch.

Sollte der Westen die Türkei "verlieren", dann wegen eigener Fehler und nicht wegen der guten Beziehungen der Türkei zu Russland, China oder der islamischen Welt. Die Annäherung an Russland solle keine Botschaft an den Westen sein, sagte Cavusoglu. "Unglücklicherweise macht die EU einige schwere Fehler. Sie hat den Test nach dem Putschversuch nicht bestanden", sagte Cavusoglu in dem live ausgestrahlten Interview.

Am Dienstag waren die Türkei und Russland nach einer monatelangen diplomatischen Eiszeit wieder aufeinander zugegangen. Bei einem Treffen von Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin äußerten sich beide zuversichtlich, die Beziehungen normalisieren zu können.

Die Türkei ist erbost über Kritik aus dem Westen, die Reaktion der Regierung in Ankara auf den Putschversuch sei überzogen. Nach dem versuchten Staatsstreich, bei dem 240 Menschen getötet worden waren, hat die Regierung Zehntausende Verdächtige festnehmen lassen. Zudem erwägt sie die Wiedereinführung der Todesstrafe. Letzteres würde nach Angaben der EU das Ende der Beitrittsverhandlungen bedeuten.

Kern bleibt gelassen nach Twitter-Attacken

Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bekräftigte im Ö1-Mittagsjournal, dass dass die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen sollte. Es gehe um eine Grundsatzdiskussion, sagte der Kanzler am Mittwoch im "Ö1 Mittagsjournal" des ORF. Sollte die Türkei aber die Todesstrafe wieder einführen, sei das Thema ohnehin bald vom Tisch. Dies sei für alle EU-Staaten inakzeptabel. 

"Wir können nicht jemanden akzeptieren, der demokratische Standards nicht einhält oder rechtsstaatliche Notwendigkeiten ignoriert", umriss Kern seine Haltung zur Türkei. Ein "Nein" zu den Beitrittsverhandlungen schließe einen "gemeinsamen Weg" aber nicht aus, meinte der Kanzler, der innerhalb der EU nun Verbündete für seine Linie finden will. "Die Türkei ist ein wichtiger Partner", etwa in Sicherheitsfragen. Er plädiere dafür, dass Verhältnis "neu zu ordnen."

Auf verbale Attacken eines Beraters des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der in Richtung Kern "Verpiss Dich, Ungläubiger!" getwittert hatte, wolle er nicht reagieren, erklärte der SPÖ-Politiker. "Man muss nicht jede Bemerkung ernst nehmen, sondern die Emotionen im Zaum halten. Wer mich beleidigen kann, bestimme ich noch selbst. Bedenklich sei im Zusammenhang mit dem Zitat freilich die "Politisierung des Islams". "Nicht nur in der Türkei".

EU-Kommission erfreut über Putin-Erdogan-Treffen

Die EU-Kommission hat sich positiv zu dem Treffen von Erdogan und Putin geäußert. "Aus einer europäischen Perspektive würde ich betonen, dass es wichtig ist, dass es zu Stabilität in der weiteren Region und auch zu einer friedlichen Lösung der Syrien-Krise beiträgt", sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch in Brüssel.

Die Sprecherin betonte, dass es sich bei der Begegnung zwischen Putin und Erdogan in Sankt Petersburg am Dienstag um ein "bilaterales Treffen" gehandelt habe. In westlichen Kommentaren war die Annäherung an Moskau als Reaktion Erdogans auf die Kritik der EU und der USA am autoritären Vorgehen der türkischen Regierung nach dem vereitelten Putschversuch vom Juli gewertet worden.

Gülen: Kommission nicht zuständig

Zurückhaltend zeigte sich die Sprecherin auf die Frage nach der Haltung der EU zu dem in den USA lebenden islamistischen Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan als Drahtzieher des missglückten Putschversuches verantwortlich gemacht hat. Gülen, vormals Erdogans Verbündeter, bestreitet dies. Die USA verlangen Beweise für eine von Ankara geforderte Auslieferung Gülens.

Dies betreffe nicht direkt die Zuständigkeiten der EU-Kommission, sagte eine Sprecherin in Brüssel. Man habe die Ausführungen der türkischen Stellen und Gülens zur Kenntnis genommen. Derzeit seien Ermittlungen im Gang, die ihren Lauf nehmen müssten.

(APA/Reuters)