Alt Wien: Gab es schon früher Probleme?

Auf der Suche nach einer neuen Bleibe: Für die früheren Alt-Wien-Kindergartenkinder müssen Ersatzplätze gefunden werden.
Auf der Suche nach einer neuen Bleibe: Für die früheren Alt-Wien-Kindergartenkinder müssen Ersatzplätze gefunden werden. (c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Eine Ex-Kindergartenbetreiberin erklärt, dass Probleme bei Alt-Wien schon vor langen Jahren bekannt waren. Indessen erwägen Eltern auch eine Klage.

Wien. Die Affäre rund um den mutmaßlichen Missbrauch von Fördergeldern in Millionenhöhe und der Ende August folgenden Schließung von 33 Kindergärten des Vereins Alt-Wien erhält nun eine neue Dimension. Auslöser ist Fleur Kretschmer, die den bis 2003 existierenden Verein Wiener Settlement geleitet hat – einen Sozialverein, der auch einen Kindergarten betrieben hat: „Es war schon damals (in Kreisen der privaten Kindergartenbetreiber, Anm.) ein offenes Geheimnis, dass bei Alt-Wien nicht alles absolut korrekt abläuft – dass nicht alle Bedingungen eingehalten werden“, sagt Kretschmer im Gespräch mit der „Presse“. Im Jahr 1985 hätte sie die Leitung des Vereins Wiener Settlement übernommen. „Es hat dann nicht lang gedauert, bis mir das zu Ohren gekommen ist.“ Schon damals sei das Gesprächsthema gewesen.

„Die Presse“ kontaktierte Alt-Wien-Vorstand Richard Wenzel wegen einer Stellungnahme zu diesen Aussagen. Wenzel sei bei einem Banktermin, hieß es – ein erbetener Rückruf blieb bis zu Redaktionsschluss aus.

„Gemeinde hat zugeschaut“

Doch Kretschmer nimmt auch Wien in die Pflicht: „Warum hat die Gemeinde hier so lang zugeschaut“, wenn es damals doch ein derartiges Gesprächsthema gewesen sei? Die „Presse“-Anfrage bezüglich der damaligen Kontrollen im Büro von Stadträtin Sandra Frauenberger wurde so beantwortet: Nach zwanzig Jahren und vielen Umstrukturierungen sei es nicht mehr eruierbar, ob und welche Kontrollen es gegeben habe. Erklärt wird, dass die jetzigen Kontrollen den Fall aufgedeckt hätten. Wobei dem Vernehmen nach der entscheidende Hinweis allerdings nicht von internen Kontrollen, sondern vom Wiener Stadtrechnungshof gekommen sein soll.

Doch Kretschmer stellt sich nicht als Einzige die Frage nach der Verantwortung der Stadt. Denn einige betroffene Eltern überlegen eine Klage gegen die Stadt Wien. Sie sind der Meinung, die Stadt habe ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen. Das Argument: Die Stadt Wien habe mit Alt-Wien einen Vertrag gehabt, Fördergelder bezahlt und sei dadurch auch finanziell für Konsequenzen verantwortlich. Anwalt Peter Kueß, der dies im Auftrag einiger Eltern prüft, sagt zur „Presse“: „Wichtig ist zuerst die Unterbringung der Kinder, dann wird man sich genauer ansehen, was juristisch durchsetzbar ist.“ Derzeit gingen die Meinungen der Eltern durcheinander; er werde sich demnächst mit mehr Eltern treffen, um zu klären, was möglich ist. Seitens der Stadt wird die drohende Klage der Eltern so kommentiert: „Das hören wir, es gibt aber noch nichts Schriftliches.“

Derzeit hat für die Eltern jedenfalls die Um- und Neuanmeldung der Kinder höchste Priorität. In den städtischen Kindereinrichtungen sind nach Angaben der zuständigen MA 10 rund 250 Plätze an Alt-Wien-Kinder vergeben. Insgesamt stellt die Stadt rund 1900 Plätze zur Verfügung, damit den weitaus größten Teil der benötigten Plätze. Da derzeit noch viele Eltern auf Urlaub sind, werde die große Welle der Ummeldungen erst gegen Ende der Schulferien erfolgen, sagt MA-10-Chefin Daniela Cochlar. Sie betont, dass die Servicestellen ausgeweitete Öffnungszeiten hätten.

Infoabend der Kinderfreunde

Beim größten privaten Betreiber in Wien, den SPÖ-nahen Kinderfreunden, der rund 12.000 Kinder betreut, gibt es bis dato 70 fixe Anmeldungen; darüber hinaus hätten rund 130 Alt-Wien-Familien Interesse bekundet. „Sie haben sich einen Standort angesehen und sind dort in Kontakt“, sagt eine Sprecherin zur APA.

Am heutigen Donnerstag gibt es einen Infoabend, in dem das pädagogische Konzept der Kinderfreunde vorgestellt wird und gleichzeitig Anmeldungen möglich sind. Die Veranstaltung findet im Indoor-Spielplatz Albert-Seversaal, am Schuhmeierplatz 17–19 in Ottakring statt. (Beginn 18.30 Uhr).

Auch beim zweitgrößten privaten Betreiber in Wien, dem ÖVP-nahen Verein Kinder in Wien (Kiwi), gebe es täglich Anrufe von Alt-Wien-Eltern, erzählt Geschäftsführerin Monika Riha. Rund 50 seien bereits registriert worden. „Wo wir Plätze haben, kommen wir gern entgegen.“ Kiwi hat den großen Vorteil, dass derzeit sogar einige neue Standorte eröffnet werden (etwa im 22. Bezirk) und es heuer mehr Plätze gibt. Insgesamt betreibt Kiwi 81 Standorte in Wien.

Bei den katholischen Kindergärten (St.-Nikolaus-Stiftung der Erzdiözese Wien) wurde inzwischen etwa ein Viertel der noch verfügbaren 210 Plätze vergeben.

AUF EINEN BLICK

Die Affäre rund um den Kindergartenbetreiber Alt-Wien, dem seitens der Stadt eine missbräuchliche Verwendung von fast sieben Millionen Euro an Fördergeldern vorgeworfen wird, könnte weiter zurückreichen als gedacht. Eine Ex-Kindergartenbetreiberin berichtet, dass bereits lange Jahre davor angebliche Ungereimtheiten ein Thema unter Kindergartenbetreibern gewesen seien. Gleichzeitig erwägen auch Eltern eine Klage wegen mangelnder Kontrollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)

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