Paul, ein Frühchen-Simulator zum Üben

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Paul ist ein lebensechter Patientensimulator, der einem Frühgeborenen in der 27. Schwangerschaftswoche nachempfunden ist. Paul kommt im Oktober auf den Markt.

Frühchen sind auch für erfahrene Ärzteteams eine große Herausforderung. Abläufe müssen präzise aufeinander abgestimmt sein. Jeder Handgriff muss sitzen. In der Theorie mögen vielleicht manche Situationen klar sein, aber Übung ist unerlässlich. Das Wiener Start-up "SIMCharacters" hat zu diesem Zweck einen "Simulator" entwickelt, der einem Kind nachempfunden ist, das in der 27. Schwangerschaftswoche geboren wurde. Das Uni-Spin-off bringt "Paul" im Oktober auf den Markt.

"Vater" ist der Neonatologe und Frühgeborenenintensivmediziner Jens Schwindt. "Das war ja 'nur' eine Puppe", bekam der auch als Trainer tätige Unternehmensgründer in Ausbildungssituationen von Teilnehmern oft zu hören, wie er im Gespräch mit der APA erklärte. "Für wirklich hocheffektive Trainings, bei denen es nicht nur um die medizinischen Dinge geht, sondern gerade um Skills wie Teamarbeit oder Führungsverhalten, braucht man also Simulatoren, die realistischer sind und dem Teilnehmer ermöglichen, tief in das Trainingsszenario einzutauchen", so sein Schluss.

Ein Arzt und ein Filmeffekt-Spezialist

In einem Nachtdienst am Wiener AKH stolperte der Arzt vor mehreren Jahren über eine Fernsehsendung, in der eine sehr realitätsnahe Frühchen-Puppe zum Einsatz kam. Schwindt griff zum Hörer, um bei dem Sender in Erfahrung zu bringen, wer diese "unfassbar echt aussehende Puppe" gemacht hat. Mit ihrem Schöpfer, dem Berliner Filmeffekte-Spezialisten Christoph Kunzmann, verstand sich Schwindt auf Anhieb. Von da an reifte die Idee zur Firma langsam.

Mit ebenfalls an der Medizinischen Universität Wien tätigen Partnern mit Know-how zu Unternehmensgründung und Technologieentwicklung fanden sich laut Schwindt "die letzten Bausteine" für den Start. Noch an der Uni entstand ein erster Prototyp, dann erfolgte die Firmengründung. Für den Arzt bedeutete das einen Ausstieg auf Raten aus der klinischen Arbeit - "kein einfacher Schritt", wie er betonte.

Mittlerweile ist Paul durchentwickelt. Beim Training liegt der Simulator im Mittelpunkt. Auf die Szenerie sind mehrere Kameras gerichtet. So können die Trainer den Ärzten, Schwestern und Pflegern von einem Nebenraum aus zusehen und sie mit Problemstellungen konfrontieren, indem sie bei Paul etwa die Sauerstoffsättigung sinken lassen oder den Ausfall eines Teiles der Lunge herbeiführen - seine Atmung verändert sich dann und er läuft blau an. Je nachdem, wie das Team reagiert, kehren Pauls normale Hautfärbung und die simulierten Vitalfunktionen in den grünen Bereich zurück.

Erschaffen einer "lebensechten Situation"

Solch kritische Situationen in einer derart lebensechten Situation ohne drohende reale Konsequenzen durchleben zu können, scheint vielen Praktikern ein großes Anliegen zu sein. Oft sei es sogar schwierig, ein Training zu beenden, erklärte Schwindt. Neben der Vermittlung von Techniken wie der Intubation derart kleiner Patienten und Strategien der Versorgung sind es Themen wie Kommunikation und das Zusammenspiel des Teams unter Stress, über die die Teilnehmer Einsichten gewinnen sollen. Die Rückmeldungen seien bisher überaus positiv, sagte der Geschäftsführer.

Bis zum Praxiseinsatz galt es allerdings eine ganze Reihe technischer Herausforderungen zu meistern. Vor allem die gewünschten Funktionen und Sensoren in dem nur 35 Zentimeter kleinen, einen Kilogramm leichten Körper unterzubringen, war schwierig. "Wir haben daher alles von Grund auf neu entwickelt", erklärte Schwindt.

50.000 Euro kostet Paul

Dass man jetzt ein System habe, das auf aktueller Technologie fußt, sei ein Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern, deren Simulatoren oft noch auf der Technologie der 1990er Jahre beruhen, erklärte Michael Hoffmann, Head of Finance & Business Development der Firma. Der gesamte Markt für medizinische Simulation wachse pro Jahr um 15 Prozent. Bis 2020 wird das Volumen auf etwa 1,44 Milliarden Euro geschätzt, auf den Bereich der Patientensimulation entfallen davon wiederum 500 Millionen Das Gesamtsystem will man zu einem Preis von etwa 50.000 Euro vor allem größeren Kliniken anbieten.

"Wir sind bisher den optimalen Weg eines Start-ups gegangen - wir haben nämlich alle in Frage kommenden Förderungen bekommen, die man da braucht", so Hoffmann. Auch Investoren sprangen auf, im Herbst wird der Serienprototyp fertig sein und die Produktion in Oberösterreich anlaufen. "Die Wertschöpfung wird also in Österreich bleiben." Darüber hinaus beginnen auch die Arbeiten an einem weiteren Simulator, der dann einem in der 36. Schwangerschaftswoche geborenen Kind nachempfunden sein wird.

>>> Hier geht's zur Webseite von SIM Characters.

(APA)

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