„Faust“-Reaktionen: Erregung wie zu Peymanns Zeiten?

(c) APA (Hans Klaus Techt)
  • Drucken

Ganz schön hitzig: Die Reaktionen auf Burgchef Matthias Hartmanns „Faust“-Inszenierung. Sie provoziert Medien und Internet-Poster.

„Ich war entsetzt – das Burgtheater!“ „Totales Provinztheater!“ „Großer Gott! Jetzt müssen wir diesen Typen auf Jahre aushalten!“ Heftige Reaktionen auf den neuen Burgchef Matthias Hartmann und seine „Faust“-Inszenierung gab es im Internet, speziell auf der Theaterhomepage „nachtkritik.de“.

Die Erregung erinnert fast an Peymanns Zeiten, und die Argumentation ist ähnlich konservativ wie damals. Ein offenkundiger Insider aus dem Theatergeschäft, der Hartmann zu kennen scheint – an Feinden mangelt es Erfolgreichen ja meist nicht –, ortet mangelnde literarische Bildung beim Burgchef. Ein anderer schimpft, wie mit diesem neuen „Faust“ die Schüler „sinnlos bespaßt“ werden. Eine Dame wendet schüchtern ein, dass es ihr und dem überwiegenden Teil des Publikums gefallen hat, wie der Applaus bewies, ein anderer kontert: „Was sagt das, wenn die Leute klatschen?“

Wird das Burgtheater wieder ein öffentliches Thema, nunmehr im von Schimpfern reichlich bevölkerten Internet? Nützt das dem Theater? Dem Burgtheater? Wieso beschäftigt ein neuer „Faust“ in der Burg wochenlang die Leute? Ständig wird man auf ihn angesprochen. Natürlich ist das Interesse teilweise gemacht – durch die vielen Interviews und Vorberichte. Keinen Vorschusslorbeer und schon gar keine Schonfrist gewährt das deutsche Feuilleton dem neuen Burgchef: „Man sieht keine Gedankenlüstlinge und Fühlungsnehmer, nur lauter Leerläufer, die ihren schnöde zusammengekürzten Versen verzweifelt hinterherklappern. Sieben Stunden lang“, ächzt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

„Und alles ist Dressur“

Unter dem Titel „Lang ist die Kunst, seicht das Leben“ schreibt die „Süddeutsche Zeitung“: „Konzeptuell und intellektuell ist ,Faust I‘ ein Armutszeugnis.“ „Faust II“ mache mehr her, dennoch, hier werde kein Kontinent urbar gemacht, sondern lediglich ein Ufer erreicht. „Intellektuelle Dürftigkeit“ verdrießt „Die Welt“: „Wir finden nicht die Spur von einem Geist, und alles ist Dressur.“ Teil I, wie in der „Süddeutschen“ ein „Armutszeugnis“, doch „Die Welt“ macht auch Teil II nieder: „Die läppisch bebilderte Reader's-Digest-Fassung der größten abendländischen Bildungsreise quer durchs mythologische Gebirge ist eine Videoklamotte.“ Tobias Moretti als „Faust“ wird teilweise als Fehlbesetzung qualifiziert, immerhin gibt es Lob für Gert Voss als Mephisto und für Katharina Lorenz als Gretchen.

„Der Burgtheaterdirektor ist der Welttheaterdirektor“, zitiert der deutsche „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe einen Satz aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Vier Seiten widmete das Magazin einem Hartmann-Porträt. Ob sich die Mediatisierung der Burg hält, oder wie viele Blasen öffentlicher Aufmerksamkeit sang- und klanglos platzen und verschwinden? Bei Premieren wie dieser weiß man auch nie, welche Rolle die Claque spielt, falls es eine gibt, was schwer nachzuprüfen ist. „Faust I“ ist jedenfalls bestens verkauft, vielleicht auch dank Morettis TV-Popularität. Gert Voss, der erkrankt war, kann voraussichtlich Freitag wieder spielen.

Dass Theater ein TV-Hit wird, ist offenbar auszuschließen. Nur 92.000 Zuseher lockte der biedere Themenabend des ORF, was neun Prozent Reichweite entspricht. Das ist im Vergleich zu den Opernabenden der vergangenen Jahre z.B. aus Salzburg enttäuschend: Da kam man mit Anna Netrebko in der „Traviata“ schon auf 735.000 Zuseher. Im ORF ist man dennoch zufrieden: „Ein gelungenes Experiment“, erklärte Kommunikationschef Pius Strobl – das „wieder stattfinden kann“. bp/trick

Leitartikel, Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.