Wiener Spital Nord: Technik „vergessen“?

Die Baustelle des Milliardenprojektes Spital Nord steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im Hintergrund zeichnen sich aber ebenfalls Probleme ab.
Die Baustelle des Milliardenprojektes Spital Nord steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Im Hintergrund zeichnen sich aber ebenfalls Probleme ab.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Probebetrieb im KH Nord ist teilweise angelaufen, aber kaum Techniker der Stadt dafür ausgebildet – weshalb der Betrieb durch die Stadt wackeln soll, was Millionen kosten könnte.

Wien. Das Krankenhaus Nord droht wieder in massive Turbulenzen zu geraten. Während die Blicke der Öffentlichkeit auf die Baustelle des 800-Betten-Spitals gerichtet sind, ziehen im Hintergrund dunkle Wolken auf. An einer Front, mit der kaum jemand gerechnet hat.
Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) schafft es nicht, den Betrieb der technischen Infrastruktur des Megaspitals wie geplant selbst zu übernehmen – aus eigenem Verschulden, was die Kosten weiter nach oben treiben wird. Das berichten mehrere in die Causa involvierte, voneinander unabhängige Quellen der „Presse“.

Diese, mit dem Projekt vertrauten Personen, zeichnen folgendes Bild: Die technische Inbetriebnahme des modernsten Spitals Europas kann bei dessen Eröffnung Ende 2017 nur das entsprechende Baukonsortium gewährleisten, das die Anlagen installiert hat und die dafür ausgebildeten Techniker besitzt. Womit die Stadt diesem Konsortium de facto ausgeliefert ist. Und dieses wolle sich das natürlich entsprechend bezahlen lassen, ist zu hören. Und zwar so teuer, dass die Stadt nach „Presse“-Informationen nun seit acht Wochen streng vertraulich bei der Vamed (sie betreibt das AKH) vorfühlt, ob diese nicht doch noch einspringen könnte. Natürlich günstiger.

Um welche Summen geht es? Die Kosten für den Betrieb eines Spitals betragen pro Jahr etwa 20 Prozent der Errichtungskosten (grob geschätzt 250 Mio. Euro beim KH Nord). Ein Viertel bis ein Drittel davon entfallen auf die Technik (circa 60 bis 75 Mio. Euro).

„Für Einschulungen zu spät“

Worum geht es? In dem Hightechspital jenseits der Donau sind ganze vier Etagen nur für die Technik reserviert, die das Krankenhaus am Laufen halten: Drei im Tiefgeschoß, eine Etage im Dachgeschoß – dabei geht es nicht um die Medizintechnik, sondern um die Haustechnik. Um die zu betreiben, seien „60 bis 80 Spezialisten“ notwendig, ist zu hören.

Vor etwa drei Jahren entschied der KAV, man werde die Technik im KH Nord selbst betreiben. Immerhin gibt es in Krankenhäusern, die im Rahmen des Spitalkonzepts schließen (um in das Spital Nord ganz oder teilweise zu übersiedeln), Techniker. „Nur arbeiten diese mit Anlagen, die im Vergleich zum Spital Nord völlig veraltet sind“, ist in informierten Kreisen zu hören. Die logische Konsequenz: Die KAV-Techniker müssen auf das neue System im Spital Nord eingeschult werden. Und das dauere lang, da es sich um ein hoch technisiertes, extrem komplexes System handle, ist von einer involvierten Person zu hören: „Um noch die entsprechende Einschulung zu machen, ist es für den KAV jetzt aber zu spät.“ Das sei völlig verschlafen worden.

Warum es zu spät sein soll? Der technische Probebebetrieb muss laut informierten Kreisen lange Zeit vor dem Hauptbetrieb erfolgen. Für die Patientensicherheit wäre es grob fahrlässig, Patienten einem nicht umfangreich getesteten Spital anzuvertrauen. Vor allem, wenn es ein völlig neues, erstmals verwendetes System besitzt.

Um dieses System zu betreiben, sind eben bis zu 80 Spezialisten notwendig. Diese Experten müssen lange Zeit vor dem Probebetrieb eingeschult werden, damit sie das neuartige System und dessen Kinderkrankheiten kennenlernen. Um dann im Probebetrieb zu lernen, diese Probleme zu meistern – damit sie im Echtbetrieb mit Patienten beherrschbar sind. „Aber der Probebetrieb ist schon in Teilbereichen angelaufen“, meint eine involvierte Person verwundert. Und von den Technikern der Stadt sei eben wenig zu sehen – die Räumlichkeiten für die Techniker seien leer, ist in informierten Kreisen zu hören, die darauf verweisen, „dass das Problem seit drei Jahren ungelöst ist“ und offenbar übersehen wurde: „Man hätte eine Truppe der besten Experten aller Krankenhäuser zusammenstellen müssen, die sich rechtzeitig einarbeiten – die gibt es aber nicht.“

KAV: „Haben genügend Zeit“

Die offizielle Stellungnahme des KAV zu dieser Causa: „Der KAV deckt in allen seinen Spitälern, außer im AKH, die technische Betriebsführung mit Eigenpersonal ab und sieht dies auch für das Krankenhaus Nord vor. Dort haben wir 2015 begonnen, entsprechendes Personal aufzubauen. Es gibt bereits eine Technische Direktion mit 16 Personen inklusive Technischem Direktor vor Ort. Wir haben also noch genügend Zeit, und es ist falsch, dass mit der Vamed diesbezügliche Verhandlungen geführt werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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