Thailand: Junta will nichts von Terror wissen

Explosive Ordnance Disposal (EOD) official checks at the scene of a bomb blast in Hua Hin
Explosive Ordnance Disposal (EOD) official checks at the scene of a bomb blast in Hua HinREUTERS
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Elf Bombenanschläge erschüttern das Urlaubsland. Eine Österreicherin wurde verletzt. Die Generäle sprechen von Sabotage, nicht von Terror: Aus Stabilität beziehen sie ihre Legitimität.

Bangkok. Der Freitag, der 84. Geburtstag der Königin, sollte ein Festtag werden. Doch es wurden die chaotischsten Stunden in Thailands jüngster Geschichte – und sie zeigten, wie instabil das Land immer noch ist. Am Donnerstag und Freitag explodierten in Thailand elf Sprengsätze, unter anderem mitten in den touristischen Zentren Hua Hin und Phuket. Mindestens vier Menschen wurden getötet, Dutzende wurden verletzt, darunter ist auch eine Österreicherin.

Wer auch immer hinter den Anschlägen steckt: Für die seit 2014 herrschende Junta sind sie brandgefährlich. Sie bezieht ihre Legitimität derzeit daraus, dass es in dem Land ausnahmsweise keine Straßenschlachten oder Massenproteste gibt. Entsprechend bezeichnet sie die über das ganze Land verteilten Explosionen nicht als Terrorismus, sondern lieber als „lokale Sabotageakte“.

Ausgewählter Zeitpunkt

Der Zeitpunkt dürfte bewusst gewählt worden sein. Erst am Wochenende haben die Thailänder per Referendum eine von der Militärregierung vorgelegte Verfassung angenommen. Politische Beobachter halten sie für undemokratisch, weil sie der seit 2014 herrschenden Junta langfristig weiträumige Macht einräumt. Die Junta sah in dem Referendumserfolg jedoch vor allem die Bestätigung ihrer bisherigen Arbeit, dem Land Stabilität zu bringen.

Doch wie ein stabiles Land sieht Thailand an diesem Tag nicht aus: An wichtigen öffentlichen Einrichtungen wie Flughäfen herrscht ein massives Sicherheitsaufgebot. An den Stationen der Bangkoker Hochbahn patrouillieren Sprengstoffhunde. Das sonst quirlige Hua Hin, wo insgesamt vier Bomben explodierten, gleicht in einigen Straßenzügen einer Geisterstadt. Ausländische Botschaften warnen, Touristen sollten Menschenansammlungen erst einmal meiden, heißt es.

Sensibler Tourismussektor

Dass der Tourismussektor angegriffen worden ist, dürfte die Junta besonders treffen, vermutet Thitinan Pongsudhirak, Professor für Politikwissenschaft an der Bangkoker Chulalongkorn-Universität. „Touristenziele auszuwählen zerstört die Glaubwürdigkeit der Armee, Recht und Ordnung herzustellen.“

Schon jetzt ist klar, dass die Urlauberzahlen zumindest kurzfristig wieder einbrechen werden. Zwar hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Touristen schnell wieder zurückkommen. Doch Anschläge und Krisen haben die wirtschaftliche Entwicklung zuletzt immer wieder zurückgeworfen. Und die war in den vergangenen Jahren in Thailand ohnehin alles andere als gut. Im Vergleich zu Nachbarländern wie Vietnam verliert das Land bereits an Wettbewerbsfähigkeit und wächst deutlich langsamer.

Die Unsicherheit wird noch größer dadurch, dass noch unklar ist, wer hinter den Anschlägen steckt. Die Behörden gehen davon aus, dass die politische Opposition für die Attacke verantwortlich ist. Sie weist darauf hin, dass die Bomben vor allem an Orten explodiert seien, die sich mit großer Mehrheit gegen die von der Junta vorgeschlagene Verfassung ausgesprochen haben.

Solche schnellen Bewertungen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Indem sie die Opposition für die Taten verantwortlich macht, hätte sie eine einfache Rechtfertigung dafür, die Freiheit der Thailänder weiter einzuschränken. Das hat sie in den vergangenen Monaten bereits stark getan: Immer wieder wurden Oppositionelle und Aktivisten festgenommen und sogar verurteilt.

Schlummernde Konflikte

Denn entgegen den Versprechungen der Militärregierung ist das Land von einer echten gesellschaftlichen Versöhnung weit entfernt. Der tiefe Konflikt zwischen den Anhängern der Parteien von Thaksin Shinawatra, die viele Anhänger innerhalb der ländlichen Bevölkerung haben, und den Eliten in Militär sowie Palast ist noch lang nicht gelöst – auch weil die Junta jede offene Debatte über die Zukunft des Landes verhindert.

Es gibt noch weitere Konfliktherde im Land: Seit mehr als einem Jahrzehnt kämpfen im Süden des Landes militante Muslime für ein eigenes Kalifat, mehr als 6000 Menschen kamen in dem Konflikt bereits ums Leben. Bisher konzentrierten sich ihre Aktionen zwar nur auf den Süden des Landes. Auszuschließen ist ein solcher Hintergrund jedoch nicht, zumal die Bauart der Bomben jener im Süden ähnelt.

Islamistischer Terrorismus?

Auch dass internationaler Terrorismus dahintersteckt, ist noch nicht ausgeschlossen. Vor ziemlich genau einem Jahr wurden bei einem Bombenanschlag am Erawan-Schrein im Herzen der Hauptstadt Bangkok etwa 20 Menschen getötet. Zwei Uiguren stehen derzeit für den Anschlag vor Gericht. Die Junta hält sie für Mitglieder einer kriminellen Schleuserbande. Politische Beobachter vermuten dahinter jedoch den Racheakt einer muslimischen Terroraktion für die Abschiebung von Uiguren nach China – wirklich aufgeklärt ist der Anschlag bis heute nicht.

AUF EINEN BLICK

Bei einer Anschlagsserie auf Urlaubsorte in Thailand wurden am Freitag vier Menschen getötet. Unter den Verletzten war auch eine Österreicherin. Innerhalb von 17 Stunden explodierten insgesamt elf Sprengsätze im Badeort Hua Hin, auf der Insel Phuket und im äußersten Süden. Zunächst bekannte sich niemand dazu. Im Vorfeld hatte es Hinweise auf geplante Anschläge gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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