SPÖ/FPÖ: Ein Fall von pragmatischer Zuneigung

Wolfgang Katzian
Wolfgang KatzianDie Presse/Clemens Fabry
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Immer mehr rote Arbeitnehmervertreter ergeben sich dem Schicksal – und lehnen eine Regierung mit der FPÖ nicht mehr ab.

Das traditionelle Bundesforum der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) ist üblicherweise keine Veranstaltung, die in den Medien großen Niederschlag findet. Die Austria Presse Agentur berichtet zwar brav über neue Funktionen einzelner Gewerkschafter, die beim Bundesforum vergeben werden. Das ist es dann aber auch schon.

Und so kommt es, dass der Öffentlichkeit die Ereignisse des vergangenen Bundesforums Mitte November vorenthalten wurden. Dabei waren sie nicht einmal unspannend. Der eigentlich mächtige FSG-Chef Wolfgang Katzian blitzte dort nämlich mit einem Antrag ab, so wird erzählt.

Wolfgang Katzian wollte so etwas wie eine Resolution beschließen. Darin sollten sich die Gewerkschafter gegen eine Koalition der SPÖ mit der FPÖ aussprechen. Katzians Kalkül: Monate zuvor hatte der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl mit der FPÖ koaliert. Einerseits. Andererseits: Bei den Wiener Wahlen im Oktober hatte SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl die FPÖ doch einigermaßen in die Schranken gewiesen. Diesen „neuen Schwung“ wollte Katzian nun für seine Gewerkschafterresolution nutzen.

Sein Ansinnen wurde abgeschmettert. Unterstützung gab es zwar von der ebenfalls mächtigen GPA-Geschäftsführerein Dwora Stein. Doch andere Granden waren strikt dagegen. Spätestens da muss Wolfgang Katzian ein Licht aufgegangen sein: In der SPÖ bröckeln die Fronten. Immer mehr sprechen sich gegen das weiland von Franz Vranitzky formulierte apodiktische Nein zu einer FPÖ-Koalition aus, das auch in einen entsprechenden Parteitagsbeschluss mündete. Vor allem in den mächtigen roten Interessenvertretungen ÖGB und Arbeiterkammer herrscht mittlerweile ein gewisser Pragmatismus.

Im Gewerkschaftsbund machte Präsident Erich Foglar schon im April den Anfang. Da betonte er in einem Interview, dass der ÖGB natürlich „strikt antifaschistisch“ sei. Großes Aber: Man könne FPÖ-Wähler nicht in Bausch und Bogen „ins rechte Eck stellen“. Denn, so Foglars Analyse: „Viele dieser Menschen sind ehemalige SPÖ-Wähler und verstehen schon lang nicht mehr, warum ihre demokratische Entscheidung nicht akzeptiert wird.“ Eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ könne man also „nicht von vornherein ausschließen“.

Es ist mittlerweile eine illustre Runde, die im ÖGB auf einer Linie mit Pragmatiker Foglar ist. Der mächtige Gewerkschafter Rainer Wimmer soll dazugehören, ebenso Baugewerkschafter Josef Muchitsch. Sie alle vertreten den Standpunkt: Die SPÖ sollte sich fortan bei Regierungsbildungen „nicht mehr von der ÖVP erpressen lassen“ – und durchaus auch mit der FPÖ verhandeln.

In der Arbeiterkammer wird das gleiche Schauspiel beobachtet. Präsident Rudolf Kaske ist ebenso auf pragmatischer Linie, er soll auch eine durchaus gute Gesprächsbasis zu FPÖlern haben. Sein neuer Arbeiterkammer-Direktor, Christoph Klein, scheint auch keine großen Berührungsängste zu haben. Der Nachfolger des ultralinken Werner Muhm formulierte es unlängst in einer Zeitung so: „Bei der FPÖ sehe ich immer wieder Positionen, die mir nicht gefallen – aber ich sehe nichts, was eine Zusammenarbeit grundsätzlich ausschließt.“

Wiewohl es in der Arbeiterkammer eine Bruchlinie gibt: Vor allem die nicht gerade unbedeutende Arbeiterkammer Oberösterreich soll nach wie vor so etwas wie ein Bollwerk gegen eine Koalition mit der FPÖ sein. Das hat vor allem regionale Gründe: Gerade in Oberösterreich gibt es enge Kontakte von Wirtschaftstreibenden und ÖVP-Interessenvertretern aus Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung mit dem oberösterreichischen FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner. Da versucht also die Arbeiterkammer Oberösterreich, so etwas wie einen Gegenakzent zu setzen. Zumal sich vor Kurzem der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger dafür ausgesprochen hat, der FPÖ nicht für immer und ewig die kalte Schulter zu zeigen.

Wortspenden dieser Art registrieren die Freiheitlichen natürlich mit Wohlwollen. Denn, so erklärt Politikberater Thomas Hofer: „Wenn es sich die FPÖ aussuchen kann, dann geht sie eher mit der SPÖ als mit der ÖVP eine Koalition ein.“

Tatsächlich gibt es diverse wirtschaftspolitische Themen, bei denen SPÖ und FPÖ ziemlich einträchtig sind. Besonders auffällig war das in den vergangenen Monaten beim Thema Verschärfung der sogenannten Entsenderichtlinie – da geht es um die arbeitsrechtliche Gleichstellung von Arbeitskräften aus Osteuropa, die oft zu deutlich geringeren Löhnen in Österreich beschäftigt werden und somit Österreicher vom Arbeitsmarkt verdrängen.

Vor wenigen Wochen zeigte sich auch die schöne Eintracht beim Aufreger Bankomatgebühren: Sowohl SPÖ als auch FPÖ wollen sie verbieten lassen. Ganz im Gegensatz zur ÖVP.

Und was bedeutet dieser rote Dominoeffekt für SPÖ-Chef Christian Kern? In der Partei wird erzählt, dass Kern vor seiner Inthronisierung unter anderem seinen Vorvorgänger, Alfred Gusenbauer, zurate gezogen habe. Der Altkanzler habe ihm zu einer Abkehr von der Vranitzky-Doktrin geraten. Gusenbauer ist ja einst auch dahintergewesen – Stichwort: Spargelessen mit Jörg Haider –,hat aber die Phalanx der Gewerkschafter gegen sich gehabt.

Wenigstens dieses Problem wird Christian Kern nicht haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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