Krim: Moskau stationiert Flugabwehrraketen

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Nach der Enttarnung angeblicher ukrainischer Saboteure auf der Krim drohen Moskau und Kiew einander mit dem Abbruch diplomatischer Beziehungen. Details rund um den Hauptverdächtigen geben Rätsel auf.

Wien/Moskau/Kiew. Der jüngste Krim-Vorfall zwischen der Ukraine und Russland bleibt nicht ohne Folgen. Das russische Verteidigungsministerium kündigte am Freitag an,

Flugabwehrraketen vom Typ S-400 auf die annektierte Halbinsel zu verlegen. Zuvor hatte die Ukraine eine Visumpflicht für Russen in Betracht gezogen.

„Wir müssen die Einreise vom Territorium Russlands scharf kontrollieren“, sagte der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin der Agentur Interfax in Kiew. Aber es bleibe die Frage, ob eine Visumpflicht dabei helfen könne, russische Agenten herauszufiltern. „Eine eindeutige Antwort sehe ich hier nicht.“ Zudem bestehe die Gefahr, dass Moskau Fälle von abgewiesenen Russen, die ihre Verwandten nicht besuchen können, zu Propagandazwecken nutze, sagte Klimkin.

Kiew drohte mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Auch Moskau zieht das in Betracht. In der Vergangenheit habe es solche Maßnahmen gegeben, sagte Premierminister Dmitrij Medwedjew mit Verweis auf den Konflikt mit Georgien 2008.

Sonderbares Geständnisvideo

Moskau hatte am Mittwoch über angeblich verhinderte Anschläge ukrainischer Saboteure auf der annektierten Halbinsel Krim informiert. Darauf warf Präsident Wladimir Putin Kiew einen „Übergang zum Terror“ vor und drohte mit einer harten Reaktion. Er versammelte den Sicherheitsrat und beriet über Antiterrormaßnahmen. Die Ukraine wies die Vorwürfe zurück; einen Auftrag für Terroranschläge habe man nie gegeben. In Kiew sieht man in dem Vorfall eine mögliche Rechtfertigung von russischer Seite für eine groß angelegte militärische Offensive im Osten des Landes. Im Donbass häufen sich schon seit einigen Wochen die Zwischenfälle.

Tatsächlich gibt der vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB enttarnte Agentenring einige Rätsel auf. Russische Medien verbreiteten am Donnerstag ein Video mit dem angeblichen Geständnis eines Ukrainers namens Jewgenij Panow (39). In der Darstellung des FSB ist er der Kopf der Gruppe; außer ihm ist nur der Name eines zweiten Mannes bekannt; über ihn fehlen Details. Über die anderen Festgenommenen wurde bisher nichts bekannt, angeblich sollen es sieben sein. Laut Informationen der russischen Zeitung „Kommersant“ werden weitere Mitglieder der Gruppe gesucht.

Im Clip ist zu sehen, dass der Festgenommene auf der Stirn verletzt ist; er wirkt benommen. Gegenüber einem nicht sichtbaren Befrager bestätigt er seine Identität und gibt an, im Auftrag der Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums gehandelt zu haben. Schon einmal sei er zum Auskundschaften von Anschlagszielen auf der Krim gewesen. Russische Medien nannten den Flughafen von Simferopol und den Busbahnhof als Ziele. Auf Booten seien zwei Saboteursgruppen erneut auf die Krim gelangt. Die Antworten wirken einstudiert, das Video ist mehrfach geschnitten.

Der Bruder des Verhafteten, Igor Koteljanets, gab dagegen zu Protokoll, sein Bruder, der von August 2014 bis August 2015 im Osten des Landes gekämpft habe, könne niemals freiwillig auf die Krim gefahren sein. „Als früherer Kämpfer der Antiterroroperation wusste er, dass das nicht geht“, sagte er mit Verweis auf die Gefahr, von russischen Behörden festgehalten zu werden. Ihm sei es „ein Rätsel“, wie Panow dort überhaupt gelandet sei, er vermute eine Entführung. Sein Bruder habe lediglich einen Kurzausflug über das Wochenende in der Nähe geplant. Die Familie sei besorgt gewesen, nachdem der 39-Jährige nicht zurückgekommen sei. Man habe aus den Medien von der Verhaftung erfahren. Der Leiter der Aufklärung im Verteidigungsministerium, Wadim Skibitskij, erklärte hingegen in einem TV-Interview, man gehe davon aus, dass Panow selbstständig in seinem Auto auf die Krim gereist sei.

Indessen kündigte der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, an, bei seinem am Montag geplanten Russland-Besuch die Lage auf der Krim anzusprechen. In der „Welt am Sonntag“ forderte er, die Vorgänge auf der Halbinsel aufzuklären. Er rief die Konfliktparteien dazu auf, an der Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens von Minsk zu arbeiten. Die bisherigen Ergebnisse seien nicht zufriedenstellend. (som/ag.)

ZUR PERSON

Der vom russischen FSB präsentierte Hauptverdächtige, Jewgenij Panow,ist 39 Jahre alt, stammt aus dem zentralukrainischen Saporischija und kämpfte im Donbass-Krieg auf Kiewer Seite. Russland wirft ihm vor, im Auftrag des Verteidigungsministeriums Anschläge auf der Krim geplant zu haben. In einem seltsamen Video gesteht er dies. [ Tass/picturedesk.com ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2016)

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