Einmal solo um die Welt: "Das ist kein Selbstfindungstrip"

 Waltraud Hable im vergangenen Jänner auf der Hawaii-Insel Oahu, nicht weit vom Waikiki Beach. Hawaii war nach Tansania, Südafrika und San Francisco der vierte Stopp auf ihrer Reise.
Waltraud Hable im vergangenen Jänner auf der Hawaii-Insel Oahu, nicht weit vom Waikiki Beach. Hawaii war nach Tansania, Südafrika und San Francisco der vierte Stopp auf ihrer Reise.(c) Hable
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Die Journalistin Waltraud Hable ist seit zehn Monaten allein auf Weltreise. Kurz vor ihrer Heimreise, auf ihrer letzten Station in Lissabon, erzählt sie über die vielen Vor- und die wenigen Nachteile des Alleinreisens.

Wenn ich erzähle, dass ich seit Oktober 2015 allein auf Weltreise bin, bekomme ich meist zwei Reaktionen. Die einen attestieren mir Mut und Unerschrockenheit – was prinzipiell sehr schmeichelhaft ist, aber leider nicht stimmt. Ich mache mir über alles und um jeden Sorgen, am meisten um mich selbst. Die anderen begutachten mich wie ein seltenes Insekt, um schließlich zu fragen: „Oh Gott, ist das nicht schrecklich einsam?“ – „Das habe ich auch gedacht“, entgegne ich dann. „Aber es ist das Beste, was mir passieren konnte.“

Dazu muss man wissen: Allein in der Welt herumzukrebsen stand nie auf dem Lebensplan. Erst wollte eine Freundin mitkommen. Doch sie befand kurz vor ihrem 40. Geburtstag, sie sei zu alt, um alles hinzuschmeißen, und steckte ihre Ersparnisse lieber in ein neues Badezimmer. Ich kann es ihr nicht einmal verdenken, ihre Designer-Nasszelle ist toll. Dann tat sich ein Mann auf, der vorgab, dieselbe Reiselust zu haben. Aber wie das mit Männern so ist: Es gab eine Trennung, Tränen, und mein Traum vom Big Trip schien geplatzt. Hier stand ich nun. 37 Jahre alt. Meine Freunde hatten Partner, Kinder, Eigentumswohnungen. Ich hatte 42.000 Euro auf dem Sparkonto – und keinen Plan. Stattdessen lebte ich einen Alltag, der mich tödlich zu langweilen begann. Mein Hirn flehte nach neuen Eindrücken, und ich war bereit, sie ihm zu geben. Aber sollte ich wirklich allein los?

Fast ein Jahr lang habe ich gehadert und im Geiste alle möglichen Schreckensszenarien durchgespielt. Ich stellte mir vor, wie ich sterbenskrank im afrikanischen Busch hänge. Wie ich heulend Sonnenuntergänge anschaue, während rund um mich nur schmusende Pärchen sind. Wie mir der Pass gestohlen wird. Doch je lebendiger die Bilder in meinem Kopf waren, desto ruhiger wurde ich. Weil ich wusste: Egal, was kommt, ich kann das meistern. Es findet sich für jedes Problem eine Lösung – und notfalls auch ein Rückflugticket. Außerdem würde ja wohl nicht alles ein Albtraum werden. Die Chancen, dass mir auch viel Schönes widerfährt, standen gar nicht schlecht. Die wichtigste Erkenntnis aber war: Ich, der notorische Kontrollfreak, hatte begriffen, dass so eine Reise nur zu einem gewissen Grad planbar war, ich musste die Dinge so nehmen, wie sie kommen. Einatmen. Ausatmen. Kleine Schritte.

70.000 Flugmeilen. Seit zehn Monaten bin ich nun unterwegs. In 70.000 Flugmeilen ging es einmal um die Welt. Brenzlige Situationen habe ich nie erlebt. Gut, in Rio de Janeiro wurde auf offener Straße eine Frau neben mir ausgeraubt, und die Sache mit dem indischen Nachtzug und den gaffenden Männern würde ich rückblickend auch nicht mehr machen. Aber sonst? War alles fein. Mein Hausverstand und ich kommen gut zurecht. Ich trage bis auf eine billige Halskette keinen Schmuck. Den Rat, mir einen falschen Ehering zu besorgen, habe ich geflissentlich ignoriert, selbstbewusstes Auftreten ist taktisch immer geschickter. In jeder Destination besorge ich mir als erstes eine lokale SIM-Karte, um online und erreichbar zu sein. Meine Familie kann über die iCloud mein Handy orten. Den Reisepass sperre ich in den angemieteten Wohnungen ein (ich bin zu alt und anspruchsvoll für Jugendherbergen).

Einsam gefühlt habe ich mich bisher keine Sekunde. Im Gegenteil. Ich genieße es, in der Früh aufzuwachen und das machen zu können, worauf ich Lust habe. Zum ersten Mal lebe ich ausschließlich nach meinem eigenen Rhythmus, ich lasse mich treiben, folge meinem Bauchgefühl. Wenn ich nach einer Stunde Sightseeing müde bin, dann fackle ich nicht lang und geh eben wieder ins Bett. Manchmal besuche ich fünf Tage hintereinander dasselbe Imbisslokal, weil der Oktopussalat dort so gut schmeckt. Es ist herrlich, derart intuitiv agieren zu können, ohne zu hören: „Geh komm, das ist doch fad.“ Dreimal hatte ich bisher Besuch von lieben Freundinnen und meiner Schwester. Es war schön, es war anders, am Ende war ich heilfroh, wieder allein unterwegs zu sein. Mittlerweile habe ich Stippvisiten verboten, die Erwartungen und das durchgetaktete Urlaubsprogramm der anderen stressen mich.

Natürlich gibt es Nachteile. Allein zu reisen ist teurer. Und die Blicke im Restaurant können anstrengend sein, vor allem im familiengetriebenen Südamerika, wo man als Sologast schon fast als Aussätzige gilt. In solchen Ländern bin ich heilfroh um die Dating-App Tinder, die hat mir so manchen Walk of Shame erspart und nette Begegnungen gebracht.

Alleinreisenden Frauen wird gern unterstellt, sie würden Eichen umarmen und sich selbst suchen. Ich kann für mich behaupten: Das ist kein Selbstfindungstrip. Wer allein unterwegs ist, muss schon bei sich angekommen sei, sonst würde das Ganze gar nicht funktionieren, die Probleme von daheim reisen ja mit. Ich will den Sologang niemandem aufzwingen, aber man sollte alles im Leben einmal ausprobieren. Ein Wochenende lang kann man die Sache schon einmal testen, oder? Ich garantiere, man kommt mit neuen Erfahrungen zurück. Und es werden nicht die schlechtesten sein.

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Zur Person

Waltraud Hable, 38, Journalistin. Gebürtige  Oberösterreicherin, lebt in Wien. Berufliche Stationen: Textchefin bei „Wienerin“, Chefredakteurin „Wiener“, Korrespondentin in New York für verschiedene österreichische und deutsche Medien (darunter die deutsche Ausgabe von „Elle“, „Galore“, „Seitenblicke“). Zuletzt Chefredakteurin des „Seitenblicke Magazin“ und Chefredakteurin von „#ICH“.

Blog. Sie reist seit Oktober 2015 um die Welt mit insgesamt 14 Stopps: Tansania, Südafrika, USA, Brasilien, Argentinien, Australien, Japan, Thailand, Laos, Burma, Indien, Marokko, Finnland, Portugal. Über ihre Reise schreibt Hable auf ihrem Blog „The World is enough“. Adresse: theworldisenough.net - oder auch auf Facebook unter demselben Namen.

Die Zukunft? Ist ungewiss, sagt Hable. Aber sie will jedenfalls noch in die Antarktis, nach Nordkorea und einmal mit einem schicken Cadillac quer durch die USA fahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2016)

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