Britische Firmen treten nach Brexit auf Jobbremse

Auch die wackersten EU-Befürworter konnten das Brexit-Votum im Juni nicht verhindern.
Auch die wackersten EU-Befürworter konnten das Brexit-Votum im Juni nicht verhindern.(c) APA/AFP/JUSTIN TALLIS
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Viele Unternehmer streichen aufgrund der EU-Abstimmung ihre Expansionspläne, so eine aktuelle Umfrage.

London/Wien. Welche konkreten Auswirkungen hat der Brexit auf die britische Wirtschaft? Diese Frage wird seit dem 23. Juni, als rund 52 Prozent der Wahlberechtigten auf der Insel für ein Verlassen der Europäischen Union votierten, immer wieder gestellt. Abschließend kann diese Frage natürlich noch lange nicht beantwortet werden, da von London bisher noch nicht einmal das offizielle Ansuchen für einen EU-Austritt gestellt wurde. Allerdings lassen Umfragen erste Deutungen zu. Und diese zeigen in der Regel nichts Positives.

So auch der aktuelle „Arbeitsmarkt Outlook“ der Arbeitskräftevermittler Adecco und der Personalexperten-Vereinigung CIPD. Sie haben sowohl vor als auch nach der Brexit-Abstimmung britische Unternehmer befragt, ob sie eher Mitarbeiter einstellen oder eher abbauen wollen. Vor der Abstimmung meinten noch 40 Prozent aller befragten Firmen, dass sie zusätzliche Jobs schaffen wollen. Einen Monat später sank dieser Wert auf 36 Prozent. Die meisten Firmen (42 Prozent) wollen nun erstmal abwarten, wie sich die politische Lage weiterentwickelt, bevor sie die Zahl ihrer Mitarbeiter wieder steigern.

Auch bei den Fragen nach der künftigen Kostenentwicklung oder den geplanten Investitionen zeigt die Umfrage vor allem Skepsis der Unternehmer. Der Großteil geht in der Regel zwar davon aus, dass es gar keine Auswirkungen geben werde oder kann diese nicht benennen. 33 Prozent erwarten jedoch, dass die Kosten steigen werden (vier Prozent erwarten ein Sinken der Kosten), und 21 Prozent glauben, dass es geringere Investitionen geben werde (fünf Prozent gehen von mehr Investitionen aus).

Generelle Unsicherheit

Auch die Aufnahme von Mitarbeitern aus anderen Ländern – was vor allem bei Finanzunternehmen in London eine große Rolle spielt – wird von den Firmenchefs künftig als deutlich schwieriger erwartet. Vor allem die Einstellung von Personen aus anderen EU-Ländern dürfte laut 40 Prozent der Befragten problematischer werden (zwei Prozent erwarten leichtere Voraussetzungen). Aber auch bei Mitarbeitern aus Nicht-EU-Ländern erwarten 21 Prozent größere Schwierigkeiten (zehn Prozent erwarten weniger Probleme).

In Summe deutet sich in der Studie eine generelle Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung des Landes an, die sich auch schon Anfang August beim aktuellen Industriebarometer des Forschungsinstituts Markit zeigte. Demnach ging im Juli der Index von 52,4 Punkte auf 48,2 Zähler zurück – Werte unter 50 signalisieren dabei ein Schrumpfen des Sektors. Vor allem beim Auftragseingang meldeten die Unternehmen deutliche Rückgänge – der Teilindex für Bestellungen brach so stark ein wie seit dem Jahr 1998 nicht mehr.

Diese allgemeine Negativstimmung brachte die Bank of England vor knapp zwei Wochen dazu, erstmals seit 2009 die Zinsen zu senken. Sie befinden sich mit 0,25 Prozent nun auf einem historischen Tiefststand. Gleichzeitig kürzte die Notenbank auch die Wachstumsaussichten für das Vereinigte Königreich. War sie im Mai noch von einem Plus von 2,3 Prozent für 2017 ausgegangen, so glaubt sie nun nur noch an ein Wachstum von 0,8 Prozent. Laut dem Chefvolkswirt der BoE, Andy Haldane, wird die Geldpolitik die Unsicherheit aber nur kurzfristig abfedern können, wie er in einem Gastbeitrag für die „Sunday Times“ schrieb. Ökonomen erwarten daher noch im Herbst ein Konjunkturprogramm. (jaz)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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