Fluglinien zum Diskontpreis

Flug ins Ungewisse: Die Zukunft der Air Berlin hängt an einem neuen Investor.
Flug ins Ungewisse: Die Zukunft der Air Berlin hängt an einem neuen Investor.(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
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Terror, Krieg und Politkrisen, gepaart mit der Konjunkturschwäche, treffen vor allem mittelgroße Airlines wie Air Berlin ins Mark. Die Aktien sind im Keller, aber Käufer zieren sich.

Wien. Eine Milliarde Euro – das hätte jeder Airline-Chef gern. Auf der Gewinnseite wohlgemerkt. Die Air Berlin hat diese Milliarde, sie erzeugt aber eher Schrecken. Auf diese unglaubliche Marke – exakt 987 Mio. Euro – ist das negative Eigenkapital angestiegen. Acht Verlustjahre in Folge – und das heurige neunte ist nach der Verdreifachung des Abgangs im zweiten Quartal vorprogrammiert – haben diesen Negativrekord verursacht.

Wie die zweitgrößte deutsche Fluglinie, Mutter der österreichischen Niki, je wieder aus dieser Bredouille kommen soll, steht in den Sternen. Weil Großaktionär Etihad offenbar nicht gewillt ist, den geflossenen Hunderten Millionen weitere nachzuschießen, wird fieberhaft nach anderen Überlebensstrategien gesucht. Zumal eine Insolvenz angesichts der mehr als 8000 Arbeitsplätze nicht in Frage kommen dürfte.

Viele Möglichkeiten gibt es nicht. Eine wäre die teilweise Zusammenlegung mit der Alitalia, an der Etihad auch beteiligt ist. Das hat wenig Charme – zumal die italienische Fluglinie ebenfalls marod ist. Da ist der (Teil-)Verkauf schon eher sinnvoll. Als Retter wird die Lufthansa kolportiert – sie soll Flugzeuge und Strecken übernehmen. Konkret haben sich dazu weder Stefan Pichler (Air Berlin) noch Carsten Spohr (Lufthansa) geäußert. Aber allein die Spekulation hat die Air-Berlin-Aktie, die seit Jahresbeginn ein Drittel verloren hat, an einem Tag um 21 Prozent abheben lassen.

Air Berlin ist nicht die einzige Fluglinie, die strauchelt und sich als Übernahmekandidat anbietet. Terroranschläge, Krieg und politische Krisen, Großbritanniens Brexit-Entscheidung, Währungsschwankungen und zuletzt der gescheiterte Militärputsch im Urlaubsland Türkei – diese Mischung ist für Europas Fluglinien verheerend. Besonders leiden mittelgroße, zum Teil noch in Staatsbesitz befindliche, Airlines, die nicht oder nur teilweise saniert sind. Die Liste ist lang und reicht von Air Baltic über LOT, Finnair, SAS, TAP, Alitalia und Meridiana – bis zu Air Berlin. Wobei Letztere erst durch Übernahmen schwer defizitärer Konkurrenten ins Straucheln kam.

Der Tisch für Kauflustige ist also reich gedeckt. Das Problem dabei: Billig sind sie ja alle – die Marktkapitalisierung der Air Berlin entspricht mit nur 81 Mio. Euro gerade einmal dem Preis eines Airbus A320. Aber die Airlines haben eine schlechte Kostenstruktur und hohe Schulden. Deshalb hat Lufthansa-Boss Spohr nach intensiver Prüfung auch bei der SAS abgewunken und die Aufstockung bei Brussels Airlines aufgeschoben. Noch am Radarschirm sind der Ferienflieger Condor und die Air Berlin – aber fix ist nichts.

Nicht um jeden Preis

Denn die Lufthansa hatte schon in der Vergangenheit mit dem Kauf und der Integration angeschlagener Fluglinien, wozu auch die AUA und Swiss zählten, genug zu tun. Konsolidierung sei in Europa ein Muss, und die Lufthansa wolle dabei sein, sagte Spohr bei der Hauptversammlung und verwies auf die deutlich höheren Gewinnmargen der US-Airlines. In den USA teilen sich die fünf größten Fluglinien 80 Prozent des Marktes, in Europa 40 Prozent.

Um jeden Preis will und kann Spohr aber nicht dabei sein, das würden ihm die Aktionäre nicht verzeihen. Schließlich hat die Lufthansa, wie auch die großen Rivalen British Airways und Air France/KLM, schon eine Gewinnwarnung abgesetzt. Was den Anlegern gar nicht gefiel: Die Papiere haben seit Jahresbeginn ein Drittel an Wert verloren. Bei der British-Airways-Mutterholding IAG, die der Zukauf von Iberia, Vueling und Aer Lingus schon viel Kraft kostete, und den beiden Billig-Airlines Ryanair und EasyJet sorgte das Brexit-Referendum zusätzlich für massive Kursverluste. So verbilligte sich IAG von 611 Pence (rund 7,1 Euro) zu Jahresbeginn auf bis zu 344 Pence. EasyJet sackte von 1762 auf bis zu 1020 Pence ab, Ryanair von 15,34 auf bis zu 10,5 Euro. Seither ging es nur sehr moderat nach oben.

Bleiben also nur die Retter aus dem Morgenland? Die sind offenbar auch vorsichtiger geworden und dürfen zudem bei EU-Airlines maximal 49 Prozent übernehmen: Qatar Airways, die 15 Prozent an der IAG hält, hat etwa bei der italienischen Meridiana die Lust verloren. Womit dieser das Aus droht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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