Kroatien: Mission Schadensbegrenzung

HDZ-Chef, Andrej Plenković.
HDZ-Chef, Andrej Plenković.(c) Imago/Xinhua
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Nach dem Scheitern der Mitte-rechts-Koalition will der neue HDZ-Chef, Andrej Plenković, die Partei zurück in die Mitte führen.

Belgrad/Zagreb. Ein erfahrener und geduldiger Diplomat wirft die Flinte nie zu früh ins Korn. Chancen auf einen Überraschungssieg werden dem neuen Chef von Kroatiens konservativer Regierungspartei Kroatische Demokratische Union (HDZ) angesichts von deren verheerenden Umfragewerten bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 11. September kaum eingeräumt. Doch der neue HDZ-Vorsitzende, Andrej Plenković, hat bei seinem ersten TV-Duell mit dem sozialdemokratischen SDP-Chef, Zoran Milanović, bereits demonstriert, dass er sich für den selbstbewussten Ex-Premier nicht nur langfristig, sondern auch schon während des kurzen Wahlkampfs als unangenehmer Rivale entpuppen könnte.

„Plenković zeigte sich Milanović vollkommen gewachsen“, bescheinigt die der HDZ keineswegs nahestehende Zeitung „Jutarnji List“ dem bisherigen Europaabgeordneten: Mit dem 46-Jährigen habe die Partei wieder einen Chef, der „gebildet, sehr eloquent und höflich“ sei und sich keine extremistischen Ausfälle leiste. Alles andere als ein gutes Bild hatte die erst zu Jahresbeginn wieder auf die Regierungsbank gerutschte Volkspartei unter der Führung von Ex-Geheimdienstchef Tomislav Karamarko abgegeben.

Im monatelangen Dauerstreit zerlegte sich die Koalition der HDZ mit der Reformpartei Most unter dem parteilosen Premier Tihomir Orešković praktisch selbst. Mit dem Misstrauensvotum gegen die von ihr geführte Regierung sorgte die HDZ für ein Novum – und die größte Krise des EU-Neulings seit Ende des Kroatien-Kriegs. Der Abtritt des schließlich über einen ihm nachgewiesenen Interessenkonflikt gestolperten Karamarko als Vize-Premier kam zur Rettung der Koalition zu spät: In weniger als einem halben Jahr hatte die HDZ ihren Wählerkredit verspielt.

Hatten HDZ-Minister in den letzten Monaten mit nationalistisch verbrämter Rhetorik nicht nur die Minderheiten des Landes, sondern auch den Nachbarn Serbien völlig unnötig brüskiert, setzt Plenković auf bewusst moderate Töne. Die Lösung für Kroatien könne „keine Politik der Teilung sein, die auf ideologischen Unterschieden basiert“, doziert der schon seit seiner Studienzeit auf europäische Fragen spezialisierte Familienvater: Die HDZ müsse als Partei der Mitte das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen.

Wie viel Zeit Plenković für die Neuausrichtung seiner Partei bleibt, hängt auch vom Urnengang ab. Zwar hat sich die HDZ aus ihrem Umfragetief Anfang Juli wieder um fünf auf rund 26 Prozent erholt, liegt aber in den Prognosen weit hinter der SDP (34 Prozent). Doch gelingt Plenković die Mission Schadensbegrenzung und erzielt er ein achtbares Ergebnis, ist ihm wohl nicht nur der Verbleib an der Parteispitze garantiert. Da vermutlich keine der Volksparteien eine Mehrheit bilden kann, wird in Kroatien erstmals über eine große Koalition spekuliert. (ros)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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