Der Bub wurde Mittwochabend bei einem Luftangriff auf Aleppo verletzt. Seit Monaten liefern einander Rebellen und Regierungstruppen hier erbitterte Gefechte.
Oft werden die Folgen von Kriegen auf Daten und Fakten heruntergebrochen: Wie viele Menschen gestorben sind, wie viele verwundet wurden, welche Städte erobert und rückerobert, welche Orte bombardiert wurden. Die Kosten des Blutvergießens für die Bevölkerung geraten dabei schnell in Vergessenheit.
Das Foto eines kleinen Buben aus Aleppo, das derzeit in sozialen Medien kursiert, erinnert an die Verzweiflung im syrischen Bürgerkrieg. Mit leerem Blick sitzt er auf dem orangen Sitz eines Krankenwagens, sein buntes T-Shirt ist staubbedeckt, seine rechte Gesichtshälfte blutüberströmt. Omran Daqneesh sei eines von fünf Kindern, die Mittwochabend bei einem Luftangriff der Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad verletzt worden seien, berichtet der "Telegraph". Auch eine Frau und zwei junge Männer seien verwundet worden.
Das Bild, das bereits tausende Male auf dem Kurznachrichtendienst Twitter geteilt wurde, ist ein Screenshot eines Videos des "Aleppo Media Center". Die regimekritische Organisation dürfte den Clip Mittwochabend kurz nach dem Angriff auf der Videoplattform "Youtube" veröffentlicht haben.
In dem Video tragen Helfer den vermutlich fünfjährigen Buben aus den Trümmern eines zerbombten Hauses. Überall sind Schreie zu hören, doch der Omran sitzt still, ohne etwas zu sagen. Abwesend greift er sich an die Schläfe, blickt nieder und sieht das Blut auf seiner Hand. Omran sei ebenso wie zwölf weitere Kinder unter 15 Jahren in einem Krankenhaus behandelt wurden.
"Wir brauchen eine politische und gesellschaftliche Lösung für den Konflikt in Syrien und im Irak. Wir verlieren eine ganze Generation an Kindern", kommentierte eine Menschenrechtsaktivistin auf Twitter. Eine andere Userin beschwor das Bild des Buben gleich als nächstes "ikonisches Bild" des syrischen Bürgerkrieges herauf.
100.000 Kinder in Aleppo in Gefahr
Aleppo war früher eine lebendige Wirtschafts- und Kulturmetropole. Die Stadt ist seit Mitte 2012 in einen von den bewaffneten Aufständischen kontrollierten Osten und einen von der Regierung beherrschten Westen geteilt. Nachdem die Regierungstruppen Mitte Juli die Kontrolle über die letzte Zufahrtsstraße in die Rebellenviertel übernommen hatten, verschlechterte sich die Lage der dort lebenden 250.000 Zivilisten dramatisch. Insgesamt leben in Aleppo noch rund 1,5 Millionen Zivilisten - meist ohne Elektrizität und sauberes Trinkwasser.
Die Vorsitzende der Organisation Save the Children, Helle Thorning-Schmidt, machte auf die katastrophale Lage der Kinder in Aleppo aufmerksam. 100.000 Kinder seien "in großer Gefahr", sagte die frühere dänische Ministerpräsidentin in London. "Sie haben keinen Zugang zu Trinkwasser, keine Nahrung, Probleme einen Unterschlupf zu finden", sagte Thorning-Schmidt. Auch sie verwies darauf, dass Krankenhäuser bombardiert würden.
Russland sagt 48-Stunden-Feuerpausen zu
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte zuletzt angeregt, medizinische Hilfsgüter über den Luftweg nach Aleppo zu bringen, solange der Landweg versperrt ist. Er nahm Russland in die Pflicht, eine langanhaltende Feuerpause für die Stadt in Nordsyrien durchzusetzen. Moskau unterstützt die Regierungstruppen Assads mit Luftangriffen - seit Kurzem auch von Stützpunkten im Iran aus.
"Es ist Russland, das in Aleppo Krankenhäuser bombardiert, genau das müssen wir so klar benennen", forderte der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok seinen SPD-Kollegen Steinmeier. "Und auch der deutsche Außenminister sollte das der russischen Regierung in aller Offenheit sagen." Natürlich werde Russland für den Frieden gebraucht, "aber momentan führen sie ausschließlich Krieg und haben damit den Friedensprozess unterbrochen".
Angesichts der humanitären Krise erklärte sich Russland am Donnerstag zu einer wöchentlichen 48-stündigen Feuerpause in der nordsyrischen Stadt bereit. Die Feuerpause solle ab kommender Woche eingehalten werden und Hilfslieferungen ermöglichen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
(maka)