Revolution mit Emotionen statt Medaillenjagd

Swimming - Women's 100m Backstroke Victory Ceremony
Swimming - Women's 100m Backstroke Victory CeremonyREUTERS
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Die traditionelle Tischtennis-Übermacht allein reicht nicht, das chinesische Team wird in Rio den Staatsplan von 38 Goldmedaillen nicht erfüllen. Dennoch begeistern die Athleten in der Heimat.

Rio de Janeiro. Die Erwartungen waren hoch und Chinas Tischtennisteam wurde ihnen einmal mehr gerecht. Zum Abschluss der olympischen Bewerbe in Rio de Janeiro besiegte das Männerteam im Endspiel Japan mit 3:1 und tat es damit den Frauen gleich. Jun Mizutani, Bronzemedaillengewinner im Einzel, war es im Match gegen Xu Xin vorbehalten, nach drei abgewehrten Matchbällen den Chinesen die einzige Niederlage im Turnierverlauf zuzufügen. Im kleinen Finale gewann Deutschland gegen Südkorea mit 3:1.

Mit den beiden Mannschaftssiegen sowie jeweils zweimal Gold und Silber im Einzel treten die Sportler aus dem Reich der Mitte wie erwartet die Heimreise mit der Maximalausbeute an. Schließlich haben Chinas Herren seit der Aufnahme von Tischtennis ins olympische Programm 1988 (Doppel bis 2004, Mannschaft ab 2008) noch in allen Teambewerben triumphiert. Von insgesamt 32 ausgespielten Medaillen hat China 28 gewonnen, bei den Männer bildeten Yoo Nam-kyu (1998/KOR), Jan-Ove Waldner (1992/SWE) und Ryu Seung-min (2004/KOR) im Einzel die seltenen Ausnahmen. Noch erdrückender ist die Übermacht bei den Frauen, einzig und letztmalig 1988 vermochte Südkoreas Doppel Gold für sich zu entscheiden.

Die Tischtenniserfolge können allerdings nicht kaschieren, dass China seinen Staatsplan nicht erfüllt. 38 Goldmedaillen, so viele wie 2012 in London, hat das Nationale Sportbüro für Rio als Ziel ausgegeben, vier Wettkampftage vor Schluss standen jedoch erst 19 zu Buche. Im Gegensatz zu früher wird daraus in der Heimat aber kein Skandal gemacht, statt des nationalen Kampfes um Medaillen begeistern sich die Chinesen für die neue Individualität ihrer Sportler.

Tabus werden angesprochen

So avancierte etwa Schwimmerin Fu Yuanhui zum neuen Volksliebling. Die 20-Jährige strahlte mit ihren Grimassen und fröhlichen Interviews ein neues Lebensgefühl chinesischer Sportler aus, nach Bronze im Staffelrennen wagte sie sogar, ein Tabu anzusprechen. „Ich habe gestern meine Periode bekommen und fühlte mich müde“, sagte Fu und entzückte mit ihrer Offenheit die Nutzer der sozialen Netzwerke wie Weibo. Auch der Heiratsantrag von Wasserspringer Qin Kai, der am Sonntag vor laufender Kamera um die Hand der Silbermedaillengewinnerin He Zi anhielt, kam in der Heimat gut an. „Gold am Finger ist doch noch besser als um den Hals“, schrieb etwa ein Internet-User.

Auch die Berichterstattung von Chinas kontrollierten Medien zeigt sich in Rio in einem neuen Licht, geht weniger streng mit den eigenen Athleten ins Gericht. „Wir haben die Olympischen Spiele lang als eine Art Sportkrieg betrachtet“, hieß es in der „Beijing Times“. Es würde nicht länger mit den „Feinden“ aus dem Westen wettgeeifert werden, in Brasilien stünde vielmehr der „große olympische Geist“ der Chinesen im Mittelpunkt. Die Nation brauche keine Goldmedaillen im Sport mehr, um der Welt ihre „herausragende Rolle und Stärke“ zu demonstrieren, lautete die etwas eigenwillige Erklärung in der Zeitung „China Youth“. (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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