"Omran steht für Millionen Kinder in Syrien"

Omran Daqneesh nach dem Bombenangriff.
Omran Daqneesh nach dem Bombenangriff.APA/AFP/MAHMOUD RSLAN
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"Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging", berichtet der Fotograf des Fünfjährigen über den Schock des Buben aus Aleppo. Omran sei aber kein außergewöhnlicher Fall.

Mustafa al-Sarouts Foto ging um die Welt: Der fünfjährige Omran Daqneesh, wie er mit starrem Blick auf dem knallorangen Sitz eines Rettungsautos sitzt, staubbedeckt, seine rechte Gesichtshälfte blutüberströmt. Der kleine Bub hatte einen Luftangriff der syrischen Regierungstruppen auf einen von Rebellen kontrollierten Stadtteil Aleppos überlebt. Helfer hatten ihn aus den Trümmern seines Hauses gezogen.

"Ich habe so viele Kinder gesehen, die aus Schutthaufen gerettet wurden. Aber dieses Kind, mit all seiner Unschuld, hatte keine Ahnung, was vor sich ging", sagte der Journalist der britischen Zeitung "Guardian". Der Syrer ist Mitglied des Aleppo Media Center, das das Foto und ein Video Omrans am Donnerstag veröffentlichte. In seinem Gesicht habe sich so viel abgespielt, dazu das Blut und der Staub, und alles in diesem jungen Alter, zeigt sich al-Sarout betroffen.

Er sei überrascht, wie viel Aufmerksamkeit sein Video erregt hatte, erzählt er der Zeitung. "Diese Kinder werden jeden Tag bombardiert. Das ist kein außergewöhnlicher Fall", sagte er. Abwechselnd griffen Russland und das syrische Regime die Zivilisten in Aleppo vor den Augen der Welt an. "Dieses Kind steht für Millionen Kinder in Syrien und seinen Städten", meint Sarout.

"Hatten Tote mehr Glück?"

Was die Lage noch schlimmer mache, sei, dass es nicht der letzte Luftangriff war. "Wir leben seit fünf Jahren mit der täglichen Realität, dass Kinder und unschuldige Zivilisten getötet werden", sagte Sarout. "Die Raketen und Fassbomben unterscheiden nicht." Das Töten des Regimes und der russischen Luftwaffe müsse aufhören. "Syriens Kinder haben es verdient, in Frieden zu leben."

Ähnliches schildert ein US-syrischer Arzt aus Chicago, der immer wieder nach Syrien fährt, um medizinische Hilfe zu leisten. "Jedes Mal, wenn ich dort arbeite, behandle ich Kinder, die oft so schlimm verwundet und traumatisiert sind, dass ich mich frage, ob die, die überlebten, weniger Glück hatten, als die, die starben", schildert Zaher Sahloul dem "Guardian". Das Foto des fünfjährigen Omran habe zwar viele Menschen auf der Welt bewegt, doch bezweifelt er, dass es auch Aktionen nach sich ziehen werde. "Jeder sieht sich diese Bilder an, aber wer wird irgendetwas dagegen machen?"

Russlands Medien hingegen beachteten die Aufnahmen aus Syrien kaum. Keine nationale Zeitung druckte das Bild am Freitag ab. In das russische Internet gelangte das Foto vor allem über die russischsprachigen Seiten internationaler Medien wie der Deutschen Welle oder der BBC.

Russland dementiert Angriff

Die staatlich gelenkten Medien setzten dagegen am Freitag eine eigene Geschichte über eine in Aleppo verheiratete Russin, die ihre drei Kinder vor einer Bombe gerettet haben soll. Diese sei in die Wohnung geflogen. Die Mutter habe die Kinder mit ihrem Körper geschützt, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf das russische Militär. Sie habe einen Arm und ein Bein verloren und sei zur Behandlung nach St. Petersburg ausgeflogen worden.

Russlands Militär dementierte am Freitag denn auch die Berichte über den Angriff auf den von Rebellen kontrollierten Stadtteil Qaterji. "Wir haben mehrfach unterstrichen, dass die Flugzeuge der russischen Luftwaffe in Syrien nicht gegen Ziele in bewohnten Gebieten aktiv sind", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Freitag in Moskau.

Seiner Analyse der Bilder von den Zerstörungen nach hätten Rebellen den Stadtteil mit Minen oder Gasballons beschossen. Westliche Medien versuchten nun, "mit schablonenhafter Propaganda anti-russischer Ausrichtung" Moskau die Schuld zuzuschieben, sagte Konaschenkow.

De Mistura protestiert für Kampfunterbrechung

Die einst lebendige Metropole Aleppo im Norden Syriens ist seit Mitte 2012 in einen von den bewaffneten Aufständischen kontrollierten Osten und einen von der Regierung beherrschten Westen geteilt. Nachdem die Regierungstruppen Mitte Juli die Kontrolle über die letzte Zufahrtsstraße in die Rebellenviertel übernommen hatten, verschlechterte sich die Lage der dort lebenden 250.000 Zivilisten dramatisch. Insgesamt leben in Aleppo noch rund 1,5 Millionen Zivilisten - meist ohne Elektrizität und sauberes Trinkwasser.

Mit einer Protestaktion forderte der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, daher am Donnerstag eine Unterbrechung der Kämpfe in Syrien zur Versorgung Notleidender. Nach nur acht Minuten erklärte er in Genf eine Sitzung der UN-Arbeitsgruppe für die humanitäre Hilfe in Syrien für vorzeitig beendet. "Nicht ein einziger Hilfskonvois hat seit einem Monat eines der belagerten Gebiete erreichen können", sagte De Mistura. Beratungen humanitärer Experten machten wenig Sinn, wenn es "keine Aktionen" vor Ort gebe, die Zugang zu Notleidenden ermöglichen.

>>> Zum Bericht im "Guardian".

(maka)

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