Kerns Plan für die Wertschöpfungsabgabe

Bundeskanzler Christian Kern
Bundeskanzler Christian Kern APA/HARALD SCHNEIDER
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Erstmals liegt ein SPÖ-Konzept zum Umbau der Sozialfinanzierung vor. Als Pilotprojekt dient der Familienfonds – mit zwei Milliarden Euro an Beiträgen. Es gibt Verlierer und Gewinner.

Wien. Die ÖVP will zwar über eine Maschinensteuer beziehungsweise eine Wertschöpfungsabgabe nicht einmal reden. Bundeskanzler Christian Kern und die SPÖ lassen aber nicht locker. Der „Presse“ liegen nun erstmals Pläne für eine neue, verbreiterte Finanzierung des Sozialstaates vor. Anders als bisher ist nicht mehr die Lohnsumme zur Gänze Basis für die Beiträge. Denn im Gegenzug zu einer Senkung der bisherigen Lohnnebenkosten wird die Beitragsbasis etwa auf Gewinne ausgeweitet. Generell würden Unternehmen mit viel Personal profitieren, kapitalintensive Betriebe würden stärker zur Kasse gebeten.

Konkret sieht das SPÖ-Modell vor, die Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) umzuschichten und damit die Beitragssätze um ein Drittel zu senken. Der erwartete Einnahmenverlust von rund zwei bis 2,5 Milliarden soll durch die Neuerung, das Einbeziehen der Wertschöpfung, kompensiert werden, die Lösung wäre damit für den Staat „aufkommmensneutral“. Je nach Branche gibt es hingegen Verlierer, die mehr zahlen müssen, oder Gewinner, deren Beiträge sinken.

Start beim Familienfonds: Der Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) ist ein Milliarden-Sozialtopf, aus dem unter anderem die Familienbeihilfen ausgezahlt werden. Die Beiträge dazu stammen aus Dienstgeberbeiträgen, wobei Arbeitgeber derzeit 4,5 Prozent der Lohn- und Gehaltssumme einzahlen müssen. (Anm.: Die Koalition hat bereits eine Senkung auf 4,1 Prozent 2017 und auf 3,9 Prozent 2018 beschlossen.) Das SPÖ-Modell sieht nun vor, die Beiträge auf drei Prozent der Nettowertschöpfung zu senken. Unter dem Strich bleibt die Gesamtsumme der Einnahmen gleich. Das bedeutet: Ein großer Teil der Einnahmen kommt weiter durch die Berechnung auf Basis der Lohnsumme herein, zwei bis 2,5 Milliarden Euro werden durch die Umbasierung der Finanzierung auf die Nettowertschöpfung und somit auch auf Kapital aufgebracht.

Nettowertschöpfung als neue Geldquelle: Nach dem SPÖ-Modell werden neben dem Teil aus der Lohnsumme folgende Komponenten neu in die Beitragsberechnung einbezogen: Gewinne vor Steuern und Fremdkapitalzinsen sowie Mieten und Pachten. Um Mehrbelastungen zu vermeiden, ist unter anderem ein Freibetrag für Einpersonenunternehmen vorgesehen.

Wer verliert, wer gewinnt? Auch wenn die Neubasierung zur Finanzierung aufkommensneutral sein soll, sind die Auswirkungen für einzelne Branchen höchst unterschiedlich. Demnach würden laut SPÖ Bereiche wie die Industrie, das metallverarbeitende Gewerbe oder das Bauwesen profitieren. Verlierer der Umstellung wären etwa Anwälte, Steuerberater, Ärzte und Zahnärzte, aber auch Banken sowie der Großhandel (Details der Auswirkungen siehe obenstehende Grafik). Den Bedenken der ÖVP wegen eines Alleingangs Österreichs bei der Wertschöpfungsabgabe wird von SPÖ-Seite entgegengehalten, gerade exportorientierte Sektoren wie die Industrie würden entlastet.

Entlastung des Faktors Arbeit: Mit dem Umstieg auf ein neues Finanzierungsmodell für den Sozialstaat reagiert die Kanzlerpartei SPÖ auf zwei Entwicklungen: Der Faktor Arbeit ist in Österreich bei den Abgaben im internationalen Vergleich wegen der Lohnnebenkosten besonders stark belastet. Gleichzeitig wird auf die Veränderung der Arbeitswelt (vermehrter Einsatz von Robotern, Digitalisierung) reagiert und auf den Umstand, dass in der langjährigen Entwicklung die Lohnsumme und damit die Einnahmen für den Sozialstaat sinken.

Ausweitung des Modells möglich: Die Beiträge zum Familienfonds stellen nur einen Teil der Finanzierung des Sozialstaates dar. Die Einbeziehung der Wertschöpfung könnte später jedoch im Zuge einer großen Reform auch bei den Beiträgen zur Kranken- und/oder der Pensionsversicherung erfolgen.

Auf einen Blick

Die SPÖ will zur Finanzierung des Sozialwesens (im konkreten Fall des Familienfonds) nicht nur wie bisher die Lohnsumme der Beschäftigten einer Firma als Basis der Berechnung der Beiträge heranziehen. Gemäß SPÖ-Modell wird zwar ein großer Teil der Beiträge weiter von der Lohnsumme berechnet, bei der Berechnung neu hinzu kommen Gewinne vor Steuern, Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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