Blinde Passagiere sitzen unter der Hundehaut

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Hunde(c) Clemens Fabry
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Ein Hautwurm zeigt sich beim Tier als Hauterhöhung. Ein Herzwurm ist von außen gar nicht erkennbar. Was beide verbindet: Sie kommen vermehrt aus dem Osten nach Österreich und können auch Menschen befallen.

„Aktuell gibt es noch wenig Herzwürmer in Österreich, aber wir tun derzeit alles, um sie heimisch zu machen.“ Veterinärmediziner Michael Leschnik polemisiert, zum Lachen ist ihm aber nicht zumute. Denn an der Vet-Med-Uni Wien, aber auch bei Tierärzten im Osten Österreichs zählt man bei Hunden immer mehr Fälle von Herz- und Hautwürmern.

Noch vor zehn Jahren fand man etwa einen Herzwurm bei Hunden nur einmal im Jahr, mittlerweile 30 bis 40 Mal. Sowohl an Hunden als auch an Mücken, die die Würmer übertragen, seien die Würmer und ihre Larven in Österreich bereits wissenschaftlich nachgewiesen worden, sagt Leschnik. Er präsentierte kürzlich die jüngsten Forschungsergebnisse auf einer Tagung in Wien.

„Wir stehen buchstäblich an der Grenze zu einer Endemie“, sagt Leschnik (siehe Lexikon). Einerseits, weil es immer mehr Fälle gibt, und andererseits, weil Österreich an Ungarn grenzt. Von dort gelangt ein Großteil der befallenen Tiere nach Mitteleuropa. Von Zuchtstationen will der Forscher nicht sprechen, eine richtige Tierproduktionsindustrie sei dort entstanden.

Dabei geht es nicht nur um Schmuggel. Junge Hunde aller Rassen gelangen mit der gesetzlich vorgeschriebenen Tollwutimpfung auch legal über die Grenze. Noch größer als bei Welpen sei das Problem bei ausgewachsenen Hunden aus Tierheimen, die Tierschützer nach Österreich bringen. Die blinden Passagiere sitzen nicht sichtbar in Herzgefäßen oder verstecken sich unter der Haut. Und so gelangen sie in scheinbar gesunden Hunden in alle Teile Europas.

Wurm verirrt sich im Körper

Für Tiere gefährlich ist vor allem der Herzwurm: Bei Hunden verstopft er die Arterien, die in die Lunge gehen. So kann er schwere Herzkrankheiten auslösen, die zu Atemnot und Ersticken führen. Selten, aber doch befällt er aber auch den Menschen, der eigentlich nicht sein Zielwirt ist. Dort verirrt er sich im Körper. Häufig landet er in der Lunge und verursacht dort Beschwerden. „Er wurde auch schon mit Tumoren verwechselt“, sagt Leschnik. Erst nach der Entfernung eines Lungenlappens hätten Pathologen bemerkt, dass es sich um einen Wurm handelte. Daher arbeiten Veterinär- und Humanmediziner bei Zoonosen vermehrt zusammen. Das sind Krankheiten, die sich vom Tier auf den Menschen übertragen und umgekehrt. Der Hund gibt den Wurm aber nicht direkt an den Menschen weiter. Dazu braucht es die Stechmücke als Wirt. Die Larven breiten sich dann im Körper über das Blut aus.

Weniger bedrohlich, aber unangenehm sind die zehn bis 15 Zentimeter langen Hautwürmer: Sie haben den Durchmesser einer Spaghetti und leben in Höhlen unter der Haut. Dort seien sie als „Dippel“ sichtbar, der sich auch bewege, sagt Leschnik. Unter dem Fell von Tieren müsse man ihn aber suchen; vielfach werde er daher auch übersehen, die Dunkelziffer der befallenen Tiere dürfte daher sehr groß sein. Um gegenzusteuern brauchte es Tests, deren Ergebnis beim Import der Tiere vorgewiesen werden muss. Denn Haut- und Herzwürmer lassen sich im Blut gut nachweisen. Und es gibt auch Präparate, um sie zu stoppen.

Ein Forschungsprojekt soll die epidemiologische Situation klären: Woher genau kommen die befallenen Hunde? Und: Haben alle Hunde dasselbe Risiko, befallen zu werden? „Rasse, Alter, Geschlecht und sogar die Fellfarbe könnten einen Unterschied machen“, so Leschnik.

LEXIKON

Zoonose bezeichnet Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen und vom Mensch auf das Tier übertragen werden können. In der Regel braucht es dazu einen „Wirt“.

Endemie ist das gehäufte Auftreten einer Krankheit, Epidemiologie die Lehre ihrer Verbreitung. Forscher in Human- und Veterinärmedizin befassen sich aber auch mit den Ursachen und Folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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