Monsterverfahren gegen Tierschützer

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GERMANY PETA PROTEST(c) EPA (Daniel Karmann)
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218 Seiten starke Anklage gegen zehn Tierschützer, außer "Mafia-Paragraf" auch andere Delikte wie Nötigung, Sachbeschädigung etc. aufgelistet. Wandert der Prozess von Niederösterreich nach Wien?

WIEN. „Der Strafantrag ist von vorn bis hinten ein Mist – und vollkommen widersprüchlich.“ Das sagt am Mittwoch vor Journalisten jener Mann, der – nach dreieinhalb Monaten U-Haft – in eben diesem Strafantrag als Hauptbeschuldigter geführt wird: der Obmann des „Vereins gegen Tierfabriken“ (VGT), Martin Balluch.

Insgesamt zehn Tierschützer blicken nun einem vermutlich im ersten Quartal 2010 stattfindenden Strafverfahren entgegen. Der Generalvorwurf ist äußerst umstritten – doch nun ist es quasi amtlich: Alle zehn Tierschützer müssen sich wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation verantworten.

Das mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug bedrohte Verbrechen begeht, wer sich an einer „unternehmensähnlichen Verbindung“ beteiligt, die auf die Begehung bestimmter Straftaten ausgerichtet ist. Die im Strafgesetzbuch (§278a StGB) genauer beschriebenen Tatbestandsmerkmale sind so gefasst, dass sie bei Bekämpfung von internationalen Schmuggler-, Drogen- oder etwa Menschenhändlerbanden herangezogen werden können. Demnach kann nach §278a StGB auch jemand verfolgt werden, dem die Begehung einer konkreten Straftat gar nicht nachgewiesen werden kann.

Balluch: „Die Staatsanwaltschaft fährt eine perfide Doppelstrategie: Einerseits gibt es Straftaten, aber keine Täter, andererseits gibt es Protestaktionen des Vereins gegen Tierfabriken, aber keine Straftaten. Und die Staatsanwaltschaft mischt alles zusammen.“

Vage Anklagevorwürfe

Tatsächlich sind die Vorwürfe gegen Balluch in einigen Passagen des 218 Seiten starken Strafantrags sehr schwammig und vage gehalten. Da heißt es etwa auf Seite 21, Balluch sei unter anderem deshalb Mitglied einer kriminellen Organisation, weil er „im Jahr 2004 in Wien durch das Veranstalten eines Tierrechtskongresses“ aufgefallen sei; im Zuge dessen sei über „kampagnenbezogenes Vorgehen referiert“ worden. Auch habe er sich „durch Einbindung ausländischer Aktivisten“ in eine „österreichische Kampagne“ schuldig gemacht. Generell (und etwas umständlich) heißt es auf Seite 154: „Seine führende Position im zuvor genannten Verein, den er auch als Tarnorganisation für die inkriminierte Organisation missbraucht, nutzt er unter anderem dazu, der inkriminierten Organisation zwecks Durchführung ihrer kampagnenbezogenen Tätigkeit Logistik und Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen.“ Mehrfach geht die Anklage auf eine gegen die Firma „Kleiderbauer“ gerichtete Anti-Pelz-Kampagne ein. Diese Kampagne wird nicht bestritten, sei aber laut VGT „nur ein minimaler Teil der Arbeit des VGT“.

Doch die Anklage enthält auch andere – handfestere – Punkte, die einigen der zehn beschuldigten Tierschützern zur Last gelegt werden: so etwa schwere Sachbeschädigung, Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Balluch selbst ist aber „nur“ wegen §278a StGB angeklagt.

„Was die Angeklagten gemacht haben, war normale NGO-Arbeit, erklärt VGT-Rechtsexperte Eberhart Theuer. Man habe Unternehmen informiert, dass man eine Kampagne starten und die Öffentlichkeit informieren werde, wenn die Unternehmen ihr Verhalten nicht ändern. „Wenn das strafbar ist, hört sich jede Arbeit von Greenpeace etc. auf.“

Anhängig ist das gesamte Verfahren (außer den zehn Angeklagten wird gegen 30 weitere Personen ermittelt) am Landesgericht Wiener Neustadt, da ein ursprünglich angenommener Tatort im Sprengel Wiener Neustadt liegt. Richterin Sonja Arleth ist gerade dabei, sich in den Monsterakt einzulesen. Doch könnte ihre Arbeit ein jähes Ende finden – wenn einem Antrag auf Delegierung des Verfahrens nach Wien stattgegeben wird. Diesen Antrag haben vier der zehn Beschuldigten eingebracht. Ein Großteil der Zeugen – es könnten an die 200 Zeugen werden – stamme aus Wien, auch würden etliche mutmaßliche Tatorte in Wien liegen. Ob der Antrag durchgeht, der überdies „Befangenheit“ von Wiener Neustädter Richtern geltend macht, ist noch offen.

AUF EINEN BLICK

Anfang 2010 könnte das Strafverfahren gegen zehn Tierschützer starten. Der 218-seitige Strafantrag baut auf dem umstrittenen „Anti-Mafia-Paragrafen“ 278a Strafgesetzbuch auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2009)

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